Hass und Hetze - Brasiliens Präsident Bolsonaro kämpft um Wiederwahl

Berlin / São Paulo - Gott, Familie und Geld - mit diesen drei Metaphern kämpft Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro um seine Wiederwahl. Zum „Kampf zwischen Gut und Böse“ hat er die Abstimmung am 2. Oktober ausgerufen. Seinen Rivalen, den linksgerichteten Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, verunglimpft er als Lügner, Ex-Sträfling und Dieb. Bolsonaros Ehefrau Michelle, eine evangelikale Christin, behauptet sogar, dass mit Lula der Dämon in den Präsidentenpalast eingezogen sei.

Je nach Umfrage liegt Lula, Präsident von 2003 bis 2011, bei Zustimmungsraten zwischen 42 und 47 Prozent und damit weit vor Bolsonaro, der auf rund 31 bis 35 Prozent kommt. Ein Sieg in der ersten Runde ist dennoch unwahrscheinlich, denn ein Kandidat müsste mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen bekommen.

Der Ex-Gewerkschafter Lula erhält seine meiste Unterstützung im armen Nordosten des Landes und unter den Menschen mit einem geringen und mittleren Einkommen. Er will das Sozialsystem „Bolsa Família“ für arme Familien ausbauen, untere Einkommen von Steuern befreien sowie mit kleinen und mittleren Unternehmen, die sich während der Corona-Pandemie verschulden mussten, über Hilfen verhandeln.

"Linke Ideologie, die Abtreibungen will"

Bolsonaro hingegen wählt eine drastische Rhetorik im Wahlkampf und hetzt über eine „linke Ideologie, die Abtreibungen will“ und die es deshalb „auszurotten“ gilt. Während des ersten TV-Duells beschimpfte der Staatschef die Moderatorin sexistisch, was ihn Sympathiepunkte bei Wählerinnen kostet. Umfragen zufolge wollen nur 18 Prozent der Frauen dem amtierenden Präsidenten ihre Stimme geben.

Immer wieder schürt Bolsonaro auch Misstrauen gegen das elektronische Wahlsystem, ohne dafür Belege anzubringen. „Es ist unmöglich, dass wir im ersten Wahlgang nicht gewinnen“, sagte er jüngst vor seinen Anhängern. Beobachter befürchten, dass sich in Brasilien nach einer möglichen Niederlage Bolsonaros Szenen wie am 6. Januar 2021 in Washington abspielen: Dort hatten bewaffnete Trump-Anhänger das Kapitol gestürmt, mehrere Menschen starben.

Vor vier Jahren hatte der Ex-Militär Bolsonaro mit dem Versprechen gewonnen, Brasilien von der Geißel der Korruption zu befreien, die Arbeitslosigkeit zu senken und die Wirtschaft anzukurbeln. Damit zog er die Elite des Landes, Unternehmer, aber auch viele einfache Menschen auf seine Seite. Von seinen Aussagen ist jedoch wenig geblieben. Bolsonaro führt die Corona-Pandemie und Dürre im Land als Gründe für die ökonomische Stagnation an. Brasilien war mit rund 700.000 Corona-Toten eines der Länder, das am stärksten von der Pandemie betroffen war. Lula macht das fatale Krisenmanagement der Bolsonaro-Regierung für die vielen Opfer mitverantwortlich.

Lula kämpft um Wirtschaftsvertreter

Mit geschickten Bündnissen versucht Lula jetzt, Wirtschaftsvertreter für sich zu gewinnen. Dafür hat er seinen ehemaligen Kontrahenten, den Ex-Gouverneur von São Paulo, Geraldo Alckmin, zu seinem Vize gemacht. Auch mit der ehemaligen Umweltministerin Marina Silva, die 2008 aus Enttäuschung seine Regierung verließ, vereinbarte Lula eine Kooperation. Dafür verspricht er, den illegalen Bergbau in der Amazonas-Region zu bekämpfen, gegen die Abholzung des Regenwaldes vorzugehen und den Schutz von indigenen Gebieten zu verstärken.

Unter Bolsonaro haben die illegale Abholzung und Brandrodungen in diesem Jahr einen neuen Rekordstand erreicht. Satelliten des staatlichen Inpe-Institutes registrierten im August so viele Feuer wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Verantwortlich dafür sind Goldgräber, Viehzüchter und die Holzindustrie, die unter Bolsonaro so gut wie keine Strafverfolgung befürchten mussten. Lula hingegen will mit seinem neu entdecken Fokus auf Klimaschutz Brasilien aus der außenpolitischen Isolation führen und kündigte bei einem Wahlsieg schon jetzt seine Teilnahme am UN-Klimagipfel im ägyptischen Scharm El-Scheich Anfang November an.

Doch vieles ist noch offen im polarisierten brasilianischen Wahlkampf. Lula führte schon einmal die Umfragen gegen Bolsonaro an. Bis er im April 2018 wegen Korruption und Geldwäsche ins Gefängnis musste. Lula selbst nannte seine Verurteilung politisch motiviert. 2021 erhielt er sämtliche politischen Rechte zurück, nachdem der Oberste Gerichtshof die Urteile gegen ihn aufgehoben hatte.

Von Susann Kreutzmann (epd)

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