Ruanda-Genozid: Prozess gegen mutmaßliche Schlüsselfigur eröffnet

Frankfurt a.M., Den Haag - Der Völkermord-Prozess gegen den ruandischen Geschäftsmann Félicien Kabuga in Den Haag hat am Donnerstag begonnen. Der Angeklagte habe entschieden fernzubleiben, erklärte der vorsitzende Richter lain Bonomy am UN-Tribunal. Das Verfahren werde dennoch fortgesetzt. Kabuga muss sich wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Genozids in Ruanda 1994 verantworten. Laut Anklage hat Kabuga eine Schlüsselrolle beim Völkermord an der Tutsi-Minderheit eingenommen durch die Gründung und Finanzierung des Radiosenders „Mille Collines“ und die finanzielle und organisatorische Unterstützung der Hutu-Milizen Interahamwe.

Der Prozess beginne ganze 28 Jahre nach dem Genozid in Ruanda, weil Kabuga alles daran gesetzt habe, sich der Verantwortung zu entziehen, sagte Ankläger Rashid Rashid. Dabei sei der 1935 geborene Geschäftsmann maßgeblich an den Verbrechen beteiligt gewesen. Kabuga sei einer der reichsten Männer des Landes gewesen, mit engen Verbindungen zur Regierung des autoritären Präsidenten Juvénal Habyarimana. Kabugas Radiosender „Radio Télévision Libre des Mille Collines“ (RTLM) sei die Propaganda-Maschine der Hutu-Extremisten bei ihren Verbrechen gegen die Tutsi und gemäßigte Hutus gewesen.

Von April bis Juli 1994 fielen dem Genozid in Ruanda rund eine Million Menschen zum Opfer, die den Tutsi zugeordnet wurden oder diese unterstützten. Kabuga war mehr als 20 Jahre untergetaucht, 2020 wurde er in Frankreich verhaftet. Der UN-Strafgerichtshof für Ruanda im tansanischen Arusha, dessen Nachfolger das aktuelle Tribunal, der Internationale Residualmechanismus (IRMCT), ist, hatte 1997 Anklage gegen Kabuga erhoben.

„Er musste keine Machete benutzen, er hat sie geliefert“, sagte Ankläger Rashid. „Er musste kein Mikrofon in die Hand nehmen, er hat den Radiosender RTLM gegründet, finanziert und betrieben.“ Der Radiosender rief laut Ankläger Rupert Elderkin dazu auf, Tutsi zu töten. „Tutsi-Frauen wurden Prostituierte genannt, und der Sender rief Hörer auf, die Frauen zu schmecken, bevor sie getötet wurden.“ Die Folge seien massenweise Vergewaltigungen gewesen. Der Sender habe Tutsi als Kakerlaken bezeichnet und viele einzeln mit Namen genannt. „Sie wussten, das war ihr Todesurteil.“

Die der Hutu-Regierungspartei MRND nahestehenden Interahamwe-Milizen wurden laut Anklage trainiert, um Tutsi zu töten. Kabuga habe die Schwadronen auf nationaler Ebene unterstützt und mehrere lokale Gruppen gegründet und finanziert, die laut Ankläger Elderkin zu den brutalsten überhaupt gehörten. Dabei hat der Geschäftsmann demnach persönlich Macheten und Schusswaffen verteilt und die Milizionäre gelobt und belohnt, wenn sie nach seiner Ansicht erfolgreich gewesen waren.

Vor der Kolonialzeit gab es in Ruanda 18 Clans mit eigenen Traditionen, die Kolonialherrscher aber teilten die Bevölkerung in viehzüchtende Tutsi und Ackerbau betreibende Hutus ein und bevorzugten diejenigen, die sie den Tutsis zuordneten. Als Gegenbewegung entstand nach der Unabhängigkeit eine extremistische Hutu-Ideologie. Viele der heute rund 13 Millionen Menschen in Ruanda haben Angehörige in dem Völkermord verloren.

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