Gescheiterter Frieden in Mali

Frankfurt a.M., Bamako (epd). Das fragile Gleichgewicht in Mali ist zerbrochen. Seit die UN-Mission mit ihrem Abzug begonnen hat, nehmen die Kämpfe zwischen Tuareg-Rebellen und der Armee deutlich zu. Denn die UN übergeben ihre zwölf Stützpunkte und Außenposten nach und nach der Armee. Doch einige von ihnen liegen im Norden des Landes in Gebieten, die von Tuareg-Gruppen kontrolliert werden. Daher erklärte ein Sprecher des Tuareg-Bündnisses CMA ("Koordination der Azawad-Bewegungen") laut dem Nachrichtenportal "AfricaNews" vor einigen Tagen, die Gruppe befinde sich im Krieg mit der malischen Militärregierung und der mit ihr verbündeten russischen Söldnergruppe Wagner.

Bei der versuchten Eroberung eines Militärlagers in der Nähe der Stadt Bourem zwischen Gao und Timbuktu gab es Medienberichten zufolge viele Tote. Der Friede, den die UN-Mission (Minusma) eigentlich schützen sollte, ist nun endgültig gescheitert, noch ehe die Truppe das westafrikanische Land verlassen hat.

Der CMA-Allianz gehören Tuareg-Gruppen an, die 2012 vorübergehend die Kontrolle über Nordmali übernahmen und 2015 einen Friedensvertrag mit der damaligen Regierung unterzeichneten. Das Abkommen sprach ihnen für die nordmalischen Regionen Gao, Kidal und Timbuktu eine gewisse Autonomie zu. Die derzeitige Militärregierung, die sich durch zwei Putsche 2020 und 2021 an die Macht brachte, erkennt diese nicht an.

Außerdem forderte die Übergangsregierung die UN-Mission im Juni auf, das Land bis Ende des Jahres zu verlassen. Daraufhin verlängerte der UN-Sicherheitsrat den seit 2013 bestehenden Einsatz nicht. Zuletzt zählte die Mission 15.000 militärische und zivile Kräften, davon etwa 1.100 deutsche Soldatinnen und Soldaten, die ebenfalls mit ihrem Abzug begonnen haben.

Es war zunächst Hauptaufgabe der Minusma, den Friedensvertrag von 2015 zu unterstützen. 2019 kam der verstärkte Schutz der Zivilbevölkerung hinzu, vor allem im Zentrum des Landes. Dorthin breiteten sich islamistische Gruppen immer weiter aus, nachdem sie kurz nach dem Tuareg-Aufstand den Norden unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Am Friedensvertrag von 2015 waren die Islamisten nicht beteiligt. Immer mehr Zivilisten werden zudem im Osten des Landes getötet, wo die Terrororganisation "Islamischer Staat" ihren Einfluss an der Grenze zum Niger ausweitet.

Obwohl die Minusma in ihrem Einfluss weit hinter den Erwartungen der malischen Bevölkerung zurückblieb, dürfte ihr Ende für viele Menschen im Land deutlich spürbar sein. Die Kämpfe, die im Norden erneut aufgeflammt sind, werden vermutlich weitere Malierinnen und Malier aus ihren Dörfern vertreiben. Nach UN-Angaben sind derzeit fast 380.000 Menschen innerhalb des westafrikanischen Landes auf der Flucht.

Gefährlich wird die Lage auch für die Ortskräfte der Minusma. Medienberichten von Ende August zufolge behauptet ein Ableger der Terrorgruppe Islamischer Staat, einen zivilen malischen Mitarbeiter der Bundeswehr getötet zu haben. Fotos der mutmaßlichen Hinrichtung zirkulierten demnach im Internet. Deutschland beschäftigt in Mali laut Bundesregierung insgesamt rund 350 einheimische Ortskräfte, knapp 60 davon als Helferinnen und Helfer der Bundeswehr, unter anderem als Dolmetscher. Sie sind Angriffen radikaler Islamisten nach dem Abzug der UN-Mission ausgeliefert.

Die Minusma habe "Sicherheitsinseln geschaffen und so immer wieder die Zivilbevölkerung geschützt", schreibt der mit der Lage in Mali sehr vertraute Soziologe Olaf Bernau. Was der Wegfall dieser Inseln bedeutet, zeigte sich bereits in mehreren Terroranschlägen im Norden Malis. Anfang September wurden bei zwei islamistischen Angriffen mehr als 60 Zivilisten und Soldaten getötet. Laut der malischen Militärregierung attackierten Kämpfer einer radikalislamischen Miliz eine Fähre und eine Militärbasis in der nördlichen Region Gao - dort, wo bisher noch die Bundeswehr und weitere Minusma-Kontingente stationiert sind. Die internationalen Soldatinnen und Soldaten haben aber mit dem von der Militärregierung gewünschten Abzug begonnen und sind mittlerweile vor allem mit der eigenen Logistik und Sicherheit beschäftigt.

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