El Salvador: Wahlen ohne Opposition

Seine Wiederwahl verstößt gegen die Verfassung, sein Kampf gegen die Banden gegen die Menschenrechte. Dennoch wird El Salvadors Präsident Nayib Bukele am Sonntag für eine zweite Amtszeit gewählt werden.

Mexiko-Stadt, San Salvador - Das Ergebnis ist absehbar, wenn am Sonntag in El Salvador das Staatsoberhaupt gewählt wird. Der seit 2019 amtierende Präsident Nayib Bukele von der Partei „Neue Ideen“ (NI) genießt in Umfragen eine Zustimmung von 70 bis 80 Prozent - trotz einer verheerenden Menschenrechtsbilanz und einer unzulässigen Kandidatur.

Eine Studie der Zentralamerikanischen Universität (UCA) sieht Bukele gar bei 81,9 Prozent. An zweiter Stelle liegt demnach mit 4,2 Prozent der ehemalige Abgeordnete Manuel Flores von der linksgerichteten „Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí“ (FMLN). Die rechtskonservative „Nationalistische Republikanische Allianz“ (Arena) kommt mit dem Geschäftsmann Joel Sánchez auf 3,4 Prozent. Vier weitere Parteien müssen um ihre Existenz bangen. Das Land stehe vor den „asymmetrischsten Wahlen“ seit Ende des Bürgerkrieges 1992, sagte UCA-Vizerektor Omar Serrano.

Und das, obwohl die Verfassung eine direkte Wiederwahl des Präsidenten untersagt. Um das Verbot zu umgehen, ließ sich Bukele vom Parlament für ein halbes Jahr von seinem Amt „beurlauben“. Seine Privatsekretärin Claudia Juana Rodríguez de Guevara führt seit dem 1. Dezember und bis Ende Mai die Regierungsgeschäfte. Nach diesem Manöver erklärte das Oberste Wahlgericht die Kandidatur Bukeles für gültig.

Auch für die Parlamentswahlen hat der 42-Jährige vorgesorgt. Am Sonntag werden die Abgeordneten erstmals nach einer Wahlreform von 2023 bestimmt. Sie sieht die Verkleinerung des Parlaments von bisher 84 auf 60 Sitze vor. Dabei werden große Parteien bei der Vergabe der Mandate systematisch bevorzugt. Die Opposition könnte nur noch mit einer Handvoll Abgeordneten vertreten sein, mehreren Parteien droht das Aus. Schon jetzt dominiert Bukeles Partei das Parlament.

Der in sozialen Netzwerken stark präsente Werbefachmann genießt breite Unterstützung für seinen „Krieg“ gegen die Banden. Nach der Festnahme von über 72.000 Menschen seit Beginn seines Notstandsregimes im März 2022 ist die Kriminalitätsrate tatsächlich spürbar gesunken. 2021 wurden 1.140 Morde verzeichnet, 2022 fast 500, 2023 zählte die Regierung landesweit noch 154 Tötungsdelikte. Die Zahlen lassen sich allerdings nicht überprüfen, da Bukele den öffentlichen Zugang zu statistischen Daten 2022 untersagt hat.

Die sinkende Kriminalitätsrate hat zudem einen hohen Preis: deutlich eingeschränkte Bürgerrechte und zahlreiche repressive Maßnahmen wie eine auf zwei Jahre verlängerte Untersuchungshaft. Lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen warnen vor der zunehmend autoritären Regierungsführung, die sich jeglicher demokratischer Kontrolle entzieht. Kritische Journalisten, die Korruptionsskandale und geheime Verhandlungen von Regierungsvertretern mit Anführern der organisierten Kriminalität aufdeckten, mussten das Land verlassen.

Wenige mutige Stimmen, darunter die Organisation „Cristosal“, prangern die unmenschlichen Haftbedingungen in dem zentralamerikanischen Land an. In den ersten eineinhalb Jahren des Ausnahmezustandes dokumentierten sie 180 Fälle von Willkür und Folter von Häftlingen mit Todesfolge. Bei der Bevölkerung sei die Angst vor den Banden der Angst vor der Polizeiwillkür gewichen, sind sie sich einig.

Dennoch scheint eine Mehrheit gewillt zu sein, nach Jahrzehnten der sozialen Zerrüttung die Politik des starken Mannes als kleineres Übel zu akzeptieren. Ein weiterer Teil der verarmten Bevölkerung kehrt dem Land den Rücken und wandert Richtung Norden aus. In den USA leben mindestens eineinhalb Millionen Salvadorianer, ein Viertel der gesamten Bevölkerung.

Die sozialen Organisationen des Landes haben sich zu einem Widerstandsblock zusammengeschlossen und verurteilen die demokratischen Rückschritte: „Heute sind die Wahlen in El Salvador, wie vor 40 Jahren während der Militärdiktatur, nicht frei, nicht fair, nicht demokratisch, sondern Betrug“, sagte deren Sprecherin Marisela Ramírez auf einem Marsch im Januar zum Gedenken an den Friedensvertrag, mit dem der Bürgerkrieg (1980-1992) zwischen dem Militär und der Guerilla FMLN endete. Bukele kümmern all diese Vorwürfe wenig, er kokettiert lieber mit dem Etikett „coolster Diktator der Welt“.

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