Aktivist: Stimmung gegen LGBT in Uganda radikal wie nie

Aktivisten in Uganda setzen ihr Leben aufs Spiel für die Rechte der LGBT-Community. Politik und religiöse Gemeinschaften haben den Hass gegen sie geschürt. Im Kampf gegen das jüngste drakonische Gesetz steht bald eine Entscheidung an.

Kampala - Messerstiche in den Bauch und tiefe Wunden am Arm - nur knapp überlebte der ugandische LGBT-Aktivist Steven Kabuye einen Angriff Anfang Januar. Zwei Unbekannte auf einem Motorrad hätten ihm auf dem Weg zur Arbeit aufgelauert und seien auf ihn losgegangen. „Hätte ich mich nicht mit meinem Arm geschützt, hätten sie mir in den Nacken gestochen“, erzählt der 25-Jährige. Gerade mal einen Monat zuvor war der junge Mann aus dem Ausland nach Uganda zurückgekehrt. Wegen anhaltender Todesdrohungen hatte er fliehen müssen.

Seit etwa einem Jahr hat sich die ohnehin extrem schwierige Lage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans-Personen (LGBT) in Uganda noch einmal deutlich verschlechtert. Im Februar 2023 wurde der Entwurf für ein drakonisches Gesetz gegen sexuelle Minderheiten ins Parlament eingebracht, das in bestimmten Fällen sogar die Todesstrafe vorsieht. Im Mai verabschiedeten die Abgeordneten das Regelwerk mit überwältigender Mehrheit. Ein Bündnis von Menschenrechtsgruppen sowie Aktivistinnen und Aktivisten zog daraufhin dagegen vor Gericht.

„Wir gehen davon aus, dass ein Urteil jederzeit kommen könnte“, sagt der Anwalt und Menschenrechtsaktivist Frank Mugisha. Wie die Entscheidung des Verfassungsgerichts ausfallen werde, sei nicht vorherzusagen. Klar sei aber, dass die Stimmung in Uganda aufgepeitscht sei. Monatelang haben vor allem Parlamentarier im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung Hetzkampagnen vorangetrieben, unterstützt von Religionsvertretern.

Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation „Convening for Equality“ vom September belegt die Zunahme der Übergriffe auf die queere Community seit der Debatte um den Gesetzesvorstoß. Auch den Messerangriff gegen ihn sieht Steven Kabuye als Resultat des Hasses und der Hetze, die in den vergangenen Monaten verbreitet wurden.

Radikalisierte Bürger

Dabei gehen die Angriffe Mugisha zufolge hauptsächlich von nicht staatlichen Akteuren aus: radikalisierte Bürgerinnen und Bürger, die straffrei Gewalttaten gegen LGBT-Personen verüben können. „Wir finden uns momentan in einer der schlimmsten Zeiten wieder.“

Bereits 2013 war in Uganda ein ähnliches Anti-Homosexualitätsgesetz verabschiedet worden, das 2014 jedoch aus Verfahrensgründen vom Verfassungsgericht gekippt wurde. Damals sei die Aufmerksamkeit des Auslands größer gewesen, sind sich Steven Kabuye und Frank Mugisha einig.

Zwar haben die USA kurz nach Verabschiedung des Gesetzes im Mai Uganda durch Visabeschränkungen und Handelsverbote sanktioniert, doch sei dies nicht genug. Unter anderem aus Deutschland sei kaum eine Reaktion zu hören gewesen, bedauert Mugisha. Er habe jüngst auf einer Reise durch mehrere Länder vergeblich versucht, sich mit deutschen Politikern zu treffen. „Dabei sehen wir, dass immer mehr LGBT aus Uganda fliehen.“ Noch nie sei die ugandische Gesellschaft derart hasserfüllt gegen sexuelle Minderheiten gewesen.

Und das will etwas heißen, werden queere Menschen doch schon seit Jahrzehnten verfolgt, unter anderem mit Hetzkampagnen und der Veröffentlichung von Namen, Fotos und Adressen tatsächlicher oder angeblicher Homosexueller in den Medien. Bereits vor dem neuen Gesetz waren gleichgeschlechtliche Handlungen verboten und konnten mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden, eine Regelung, die die britischen Kolonialherren in Afrika einführten.

31 von 54 afrikanischen Länder kriminalisieren laut Amnesty International einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen. In mehreren wird eine Verschärfung der Verbote diskutiert oder wurden in jüngster Zeit repressivere Gesetze eingeführt. Aktivisten wie Frank Mugisha und Steven Kabuye setzen ihr Leben aufs Spiel, damit Uganda bald nicht mehr Teil dieser Liste ist. Doch der Kampf scheint schwieriger denn je.

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