Menschenrechtler: Auslagerung von Asylverfahren "brandgefährlich"

Angesichts hoher Flüchtlingszahlen wird über Möglichkeiten einer Begrenzung des Zustroms diskutiert. Bund und Länder einigten sich bereits auf eine Senkung der Sozialleistungen. Vorschläge für Asylverfahren in Drittländern sorgen für Kritik.
Berlin - Mit Blick auf Vorschläge, Asylverfahren in außereuropäische Drittstaaten zu verlegen, warnen Menschenrechtsorganisationen vor den rechtlichen Folgen. Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Karl Kopp, sagte am Mittwoch in einem Online-Gespräch, „was in Deutschland und in der EU diskutiert wird, sind Teilausstiege aus dem Flüchtlingsschutz oder die Abschaffung des individuellen Asylrechts“. Vorschläge der CDU in diesem Zusammenhang seien „brandgefährlich“. Kopp warf der CDU vor, bestehendes Europarecht schleifen zu wollen. Die Referentin für Asylrecht und -politik bei Amnesty International, Sophie Scheytt, appellierte an die Bundesregierung, „menschenfeindlichen Scheinlösungen nicht auf den Leim zu gehen“. Amnesty habe alle Modelle untersucht, die im vergangenen Jahrzehnt umgesetzt oder mit Drittstaaten ernsthaft verhandelt wurden. Die Analyse zeige, dass keines dieser Modelle umsetzbar sei. Bei den Modellen für eine Auslagerung der Verfahren seien viele völkerrechtliche Fragen offen. Das geplante Migrationsabkommen zwischen Italien und Albanien bezeichnete Scheytt als rechtswidrig, weil es zu einer willkürlichen Inhaftierung Schutzsuchender ohne Einzelfallprüfung führe. Offen sei außerdem, warum eine Abschiebung abgelehnter Asylsuchender aus Albanien leichter sein soll als aus Italien oder wie vulnerable Gruppen geschützt werden sollen. Auch nach der geplanten Reform des EU-Asylsystems werde es nicht möglich sein, Asylverfahren auszulagern, erklärte Scheytt. Das europäische Recht sehe „keine extraterritoriale Anwendung vor“, fügte sie hinzu. Überdies würde weder das Memorandum zwischen Italien und Albanien noch ein entsprechendes Abkommen zwischen Großbritannien und Ruanda den gewünschten Abschreckungseffekt erzielen. Zudem fänden rund 80 Prozent der Schutzsuchenden weltweit in Nachbarländern Zuflucht. „Die europäische Wahrnehmung, alle Flüchtenden kämen nach Europa, ist ein Trugschluss“, kritisierte Scheytt. Europa nehme lediglich einen Bruchteil der weltweit Schutzsuchenden auf. „Es ist kein Grund ersichtlich, warum Nachbarstaaten im globalen Süden noch mehr Verantwortung beim Flüchtlingsschutz übernehmen sollten“, fügte sie hinzu. Die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, betonte, nötig sei ein in ganz Europa funktionierendes Schutzsystem. Wenn es sichere Zugangswege gäbe, würden die Menschen diese auch nutzen, sagte sie mit Blick auf gefährliche Fluchtrouten beispielsweise über das Mittelmeer. Sie kritisierte eine „Fiktion der Nicht-Einreise“, die nach der geplanten Reform des Asylsystems künftig an den EU-Außengrenzen gelten solle: „Man kann nicht fingieren, dass die Menschen nicht da sind.“ Sobald ein Staat Hoheitsgewalt ausübe, sei die europäische Menschenrechtskonvention anwendbar. Diese müsse Italien auch in Albanien einhalten, wenn es dort Menschen für europarechtswidrige Asylverfahren festhalte, betonte Judith. Auch könne das EU-Asylrecht nicht in außereuropäischen Drittstaaten angewendet werden. Entsprechend seien die Pläne Italiens rechtswidrig.
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