Frauen erkämpfen Freilassungen trotz Abtreibungsverbot

Die Frauenbewegung von El Salvador feiert die Freilassung der bislang letzten Frau, die nach dem Tod ihres Neugeborenen wegen Abtreibung im Gefängnis war. Doch die Bedrohung ist nicht vorbei, solange die Gesetzeslage unverändert bleibt.

Mexiko-Stadt/San Salvador- Schwangerschaftsabbruch ist in El Salvador unter allen Umständen verboten. Dieser extremen Kriminalisierung fallen auch Frauen zum Opfer, die gar nicht abgetrieben haben. So wie Lilian, die 2016 zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde, nachdem ihre Tochter drei Tage nach der Geburt starb. Im Januar kassierte eine Richterin Lilians Urteil und die 28-Jährige kam nach sieben Jahren im Gefängnis frei - als vorerst letzte Frau, die aufgrund einer Fehlgeburt oder Tod des Neugeborenen verurteilt wurde.

Im konservativen El Salvador üben sowohl die katholische Kirche als auch evangelikale Fundamentalisten massiven Einfluss auf die Politik aus. So hat das mittelamerikanische Land eines der schärfsten Abtreibungsverbote weltweit. Die Strafen liegen zwar eigentlich zwischen zwei und acht Jahren, doch oft werden die Frauen wegen besonders schweren Mordes angeklagt und mit Haft bis zu 50 Jahren bestraft.

Lange Haftstrafen

Mindestens 73 Frauen wurden seit 2006 zu langen Haftstrafen verurteilt, die ihre Schwangerschaft nicht beendet, sondern eine Fehl- oder Totgeburt erlitten haben oder das Neugeborene kurz nach der Entbindung starb. So wie bei Lilian, deren Tochter laut späteren Untersuchungen einer Neugeborenensepsis erlag. Die meisten Frauen stammen aus armen Gegenden mit schlechter Gesundheitsversorgung.

Auch Teodora Vásquez wurde nach einer Fehlgeburt zu 30 Jahren Haft verurteilt. Sie leitet heute die Organisation „Mujeres Libres“ (Freie Frauen) und begleitet Lilian, die sie von der gemeinsamen Haftzeit kennt, und andere kriminalisierte Frauen auf dem Weg in ein Leben in Freiheit. „Wir verloren unsere ungeborenen Kinder entweder durch Unfälle oder durch Gewalt unserer Partner“, beschreibt sie die traumatischen Erlebnisse. Dennoch habe das Krankenhauspersonal sie noch in der Notaufnahme bei der Polizei angezeigt. „Daraufhin wurden wir auf brutale Weise aus der Klinik heraus festgenommen und des Mordes angeklagt.“

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte die salvadorianische Regierung 2021 dafür, dass sie medizinisches Personal zwang, die berufliche Schweigepflicht zu brechen. Heute gilt eine neue behördliche Anweisung, wonach geburtshilfliche Notfälle nur noch dem Ministerium für Sozialarbeit gemeldet werden müssen.

"Wir müssen immer auf der Hut sein"

Teodora Vásquez begrüßt diesen Erfolg des jahrelangen Kampfes von Frauen. Das Abtreibungsverbot wurde jedoch nicht angetastet. "Wir können nicht sicher sein, dass es nicht neue Festnahmen und Anklagen geben wird. Wir müssen immer auf der Hut sein”, warnt die quirlige Frau.

Und auch nach der Freilassung ist der Albtraum noch nicht vorbei, weiß Vásquez. Oft würden die Frauen von den Familien verstoßen, dürften ihre Kinder nicht mehr sehen, Medien bezeichneten sie als „Kindsmörderinnen“. „Noch schwieriger als im Gefängnis zu sein, ist es, wieder in Freiheit zu leben.“ Sie müssten gegen das Stigma ankämpfen und wüssten oft nicht, wovon sie leben sollen.

Vásquez Priorität liegt deshalb auf einer würdigen Wiedereingliederung der Frauen, denen ihre Organisation bei Bedarf Unterkunft, Gesundheitsversorgung und psychologische Hilfe gibt und sie dabei unterstützt, sich weiterzubilden oder eine Arbeit zu finden. Das Positive an ihrem Leidensweg sei, dass sie sich andernfalls nie mit dem Thema beschäftigt hätte, sagt die Aktivistin, die in Armenvierteln mit jungen Frauen über ihre Rechte und Familienplanung spricht.

In einigen Ländern Lateinamerikas hat die Frauenbewegung beim Thema Abtreibung wichtige Erfolge erzielt. Doch El Salvador, Honduras, Nicaragua, Haiti und die Dominikanische Republik kriminalisieren Schwangerschaftsabbruch weiter. In Guatemala, Costa Rica und Panama ist er aus gesundheitlichen Gründen oder nach einer Vergewaltigung erlaubt, doch an der praktischen Umsetzung im Gesundheitswesen hapere es, wie das in den USA beheimatete „Zentrum für reproduktive Rechte“ kritisiert.

Nach UN-Schätzungen sterben jedes Jahr etwa 39.000 Frauen an den Folgen von heimlich und unter prekären Bedingungen vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen, vor allem in den 21 Ländern, in denen Abtreibung komplett verboten ist. Den Weltfrauentag am 8. März nutzen Frauen weltweit und auch in El Salvador, um eine Entkriminalisierung zu fordern.

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