EU-Lieferkettengesetz kommt trotz deutscher Enthaltung

15. März 2024
Von Corinna Buschow und Marlene Brey (epd)
Das EU-Lieferkettengesetz kommt doch: Gegen den Widerstand aus Teilen der deutschen Regierung gab es in Brüssel eine Mehrheit für die Richtlinie. Große Unternehmen müssen damit künftig in ganz Europa Umwelt- und Menschenrechtsstandards einhalten.

Brüssel -Der Widerstand aus Teilen der Bundesregierung konnte es am Ende nicht stoppen: Die EU-Staaten haben am Freitag den Weg für das europäische Lieferkettengesetz frei gemacht. Wie die belgische Ratspräsidentschaft mitteilte, stimmte eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten für die Richtlinie, nach der europäische Unternehmen künftig die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten sicherstellen müssen. Weil die FDP gegen das Vorhaben war, hatte sich Deutschland auch bei dieser letzten Abstimmung im Rat enthalten, obwohl das Gesetz nochmals abgeschwächt wurde.

Der angenommene Gesetzentwurf sieht weniger strenge Regeln vor als der ursprüngliche Entwurf. Zunächst sollte das EU-Lieferkettengesetz bereits für Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit einem globalen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro im Jahr gelten. Der neue Entwurf, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, gilt nun für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Die jährliche Umsatzschwelle liegt bei 450 Millionen Euro.

Nach Einschätzung der Organisation „Initiative Lieferkettengesetz“ gilt das Gesetz nun nur noch für ein Drittel der ursprünglich vorgesehenen Unternehmen, in Summe für rund 5.500 Firmen. „Wir sind enttäuscht, dass das Vorhaben so ausgehöhlt wurde“, sagte Johanna Kusch von der Organisation. Dennoch äußerte sie sich erleichtert, dass die Mehrheit zustande kam.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der das Gesetz federführend für die Bundesregierung mit verhandelt hat, begrüßte das Votum, das ohne deutsches Ja zustande kam. Es sei endlich gelungen, „eine gemeinsame europäische Lösung für faire Lieferketten zu finden“. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einem „Meilenstein“ und erklärte, mit einem EU-Lieferkettengesetz gebe es künftig gleiche Wettbewerbsbedingungen. „Niemand muss im Binnenmarkt mehr Nachteile befürchten, weil er fair und ohne Kinderarbeit produzieren lässt.“

Enttäuschung äußerte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). „Ich mache keinen Hehl daraus: Wir hätten uns ein anderes Ergebnis gewünscht“, sagte er. Gleichwohl sei der „Einsatz in Brüssel keinesfalls umsonst“ gewesen, sagte Buschmann: „Unsere Skepsis hat eine Reihe von Details zum Besseren bewegt.“ Er verwies unter anderem auf die Änderungen bei der Geltungsfrist und Unternehmensgrößen.

Umweltschutz-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen kritisierten diese Änderungen. Als einen „Meilenstein mit Abstrichen“ bezeichnete die Organisation Oxfam den angenommenen, abgeschwächten Gesetzestext. Auch viele andere Organisationen äußerten zu gleichen Teilen Erleichterung über die Mehrheit für das Gesetz sowie Kritik am deutschen Abstimmungsverhalten und den Veränderungen in letzter Minute.

Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, sagte, es sei bitter, „dass sich Deutschland enthalten hat, nachdem es zuvor für massive Verschlechterungen im Gesetzestext gesorgt hat“. „Brot für die Welt“-Präsidentin Dagmar Pruin hob das Positive hervor: „Nichtsdestotrotz verbessert das EU-Lieferkettengesetz mit seinen Vorkehrungen zu zivilrechtlicher Haftung den Rechtsschutz von Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen.“

Kritik an den Änderungen in letzter Minute kam auch von der Linken. „Die Politik ist auf den letzten Metern gegenüber der Wirtschaft eingeknickt“, erklärte die Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring. Das neue Gesetz könne nur ein erster Schritt für echte Unternehmensverantwortung weltweit sein.

EU-Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Kommission hatten sich bereits im Dezember auf das Gesetz geeinigt. Danach hatte allerdings die FDP ihr Veto erklärt. Deutschland musste sich deshalb bei der Abstimmung enthalten. Der von den EU-Staaten angenommene Kompromiss muss noch vom EU-Parlament bestätigt werden. Nach Angaben der EU-Abgeordneten Anna Cavazzini (Grüne) ist die Abstimmung für April geplant.

15. März 2024
Von Corinna Buschow und Marlene Brey (epd)
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