Brüssel, Berlin - Die EU-Kommission will die Treibhausgasemissionen in Europa bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken. Den Vorschlag für ein entsprechendes, verbindliches Zwischenziel legte sie am Mittwoch in Brüssel vor. „Da die europäischen Bürger zunehmend die Auswirkungen des Klimawandels spüren, erwarten sie, dass Europa handelt“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten müssen dem Ziel noch zustimmen. Für Deutschland signalisierte Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) schon Zustimmung.
Mit dem Vorschlag bekennt sich die Kommission zu dem übergeordneten Ziel, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Dieses Ziel ist seit 2021 im EU-Klimagesetz verankert, das auch zwei Zwischenziele vorsieht: Bis 2030 sollen die Nettoemissionen um mindestens 55 Prozent sinken. Ein verbindliches Ziel für 2040 ist gesetzlich vorgeschrieben, wurde bisher aber nicht festgelegt.
Die Kommission will das neue Ziel vorrangig durch Emissionsminderungen innerhalb der EU erreichen. Auf Druck einiger Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschlands, enthält der Vorschlag jedoch auch Flexibilisierungen. Ab 2036 sollen EU-Staaten in begrenztem Umfang Klimaschutzprojekte in Drittstaaten auf ihre Klimabilanz anrechnen dürfen - bis zu drei Prozent der Emissionen von 1990. Dabei geht es um sogenannte „Carbon Credits“, also die Finanzierung von CO2-Einsparungen oder -Entnahmen in anderen Ländern. Auch CO2-Entnahmen innerhalb der EU, etwa durch Aufforstung oder neue Technologien, sollen zur Zielerreichung beitragen.
Der Vorschlag sorgt für Kritik. Einige halten das 90-Prozent-Ziel für zu ehrgeizig, andere befürchten Schlupflöcher durch internationale Anrechnungen. „Die Einbeziehung von internationalen Klimagutschriften stellt ein schwer kalkulierbares Risiko dar“, sagte der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken. Er verwies auf Betrugsfälle mit angeblich nachhaltigem Biosprit aus fiktiven Anlagen in China. Auch der Grünen-Politiker Michael Bloss warnte vor Rechentricks: „Die Kommission will 145 Millionen Tonnen CO2 über dieses fragwürdige Instrument kompensieren - das entspricht den Emissionen von Schweden, Finnland und Dänemark zusammen.“
Europaabgeordnete der CDU verteidigten die Flexibilisierung. „Wer die Flexibilität bekämpft, leistet einen Beitrag dazu, dass es überhaupt kein 2040-Klimaziel gibt, da der Widerstand anderer Mitgliedsstaaten gegen die 90-Prozent generell sehr stark ist“, sagte Peter Liese. Klimaschutzkommissar Wopke Hoekstra, der für die 90-prozentige Reduktion bis 2040 plädiert hatte, verteidigte den Vorschlag. Es sei wichtig, diesen Schritt „undogmatisch“ zu gehen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Parlament und die Mitgliedstaaten dem Klimaziel zustimmen.
Der deutsche Klimaschutzminister Schneider bezeichnete den Vorschlag als „starkes Signal an die Welt und zugleich auch Deutschland“. Er begrüßte die mögliche Flexibilisierung und sprach von einer „engen Verbindung deutscher und europäischer Klimaziele“. Das deutsche Klimaschutzgesetz sieht vor, die Emissionen bis 2040 um 88 Prozent zu mindern. Trotzdem bedeutet das 90-Prozent-Ziel der EU nach Angaben des Ministeriums nicht, dass dieses Ziel erhöht werden muss.
Im Unterschied zur deutschen Regelung sehe der EU-Vorschlag vor, dass auch sogenannte negative Emissionen einberechnet werden können. Gemeint sind natürliche CO2-Senken wie Wälder und Moore. Rechne man diesen Unterschied heraus, seien die Ziele vergleichbar, erklärte das Ministerium.