Was Indiens Nachbarn besser machen

die Inderinnen und Inder haben soeben Premierminister Narendra Modi wiedergewählt, aber sie haben ihm auch einen Denkzettel verpasst: Er hat seine Mehrheit im Parlament verloren, obwohl Modi jede Opposition mit fast allen Mitteln behindert hatte. Der unerwartete Erfolg seiner Gegner zeigt eine verbreitete und tiefe Unzufriedenheit – und die dürfte eng zusammenhängen mit den Folgen der enormen sozialen Ungleichheit in Indien, die Swati Narayan beschreibt: Die aufstrebende Wirtschaftsmacht bleibt bei Gesundheit und Lebenserwartung hinter ärmeren Nachbarländern wie Nepal zurück, die für eine gerechtere Verteilung des Wohlstands und für mehr Chancengleichheit gesorgt haben. Ihr spannender Text ist Teil unseres neuen Heftes zu sozialer Ungleichheit, das Sie natürlich auch online finden. Schauen Sie rein!

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Mit den besten Grüßen,

Bernd Ludermann

Was die Redaktion bewegt

Ein Flüchtling aus Afghanistan hat in Mannheim einen Polizisten mit einem Messer angegriffen und der ist an seinen schweren Verletzungen gestorben. Das ist schrecklich, vor allem für das Opfer und seine Angehörigen. Doch bei der berechtigten Empörung darüber drohen die Maßstäbe verloren zu gehen: Von einer Gefahr für die Sicherheit im Land ist die Rede – ich erinnere mich nicht, dass andere Morde so eingestuft wurden und auch nicht zum Beispiel der Amoklauf, dem vor einem guten Jahr in Hamburg sieben Menschen zum Opfer fielen und der Täter, ein  Deutscher. Jetzt fordern Politikerinnen und Politiker der „bürgerlichen Mitte“, den Täter von Mannheim nach Afghanistan abzuschieben und dazu gleich noch sogenannte Gefährder. Dies sind Flüchtlinge, von denen die Behörden befürchten, dass sie schwere Straftaten begehen könnten, die das aber bisher nicht getan haben. Soll Ausweisung auf Verdacht und in ein Land, dessen Regierung als menschenverachtendes Regime gilt, jetzt ein Mittel der Gewaltvorbeugung sein? Zwar ist der Impuls verständlich, jeder denkbaren Gefahr vorzubeugen. Dazu tun die Sicherheitsbehörden ja auch jede Menge. Aber ein Schutz, der nie versagt, ist unmöglich und befördert nur kollektiven Verdacht und Ressentiments. Darauf hinzuweisen, wäre die Aufgabe von verantwortungsbewussten Politikern. Stattdessen leisten auch sie mit ihren Vorschlägen nun jener Verrohung des Diskurses Vorschub, die sie sonst gern staatstragend verurteilen. Oh je!

Neu auf welt-sichten

Den Rechten hinterherlaufen? Diese Woche wählen die Europäer ein neues Parlament, im Herbst wird es eine neue EU-Kommission geben. Was bedeutet das voraussichtlich für die Entwicklungspolitik der Europäischen Union in den kommenden Jahren? Tillmann Elliesen hat sich umgehört

Offene Worte zwischen Geistlichen: Katholiken sind in Äthiopien eine verschwindend kleine Minderheit. Dennoch gehört ihre Kirche zu den wenigen kirchlichen Stimmen, die sich kritisch zur Situation im Vielvölkerstaat äußern – vor allem zur Lage in Tigray, berichtet Katja Buck

Wer, was, wo bringt diesmal eine traurige Nachricht: Der Journalist und Indienkenner Rainer Hörig ist Ende Mai unerwartet gestorben. Das und weitere Personalmeldungen von uns im Juni, darunter zur neuen Direktorin des Hilfswerks der evangelischen Kirchen Schweiz HEKS, Karolina Frischkopf, finden Sie hier.

„Der Norden profitiert mehr von der Pipeline als Uganda“: Hamira Kobusingye ist eine Klimaaktivistin aus Uganda. Seit 2019 steht sie mit Plakaten mitten in Kampala und informiert über die Klimakrise, von der Mädchen und Frauen besonders betroffen sind. Dem Norden wirft sie im Interview Klimakolonialismus vor.

Noch immer interessant

Das Problem der Fast Fashion: Zum Weltumwelttag hat gestern Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze dazu aufgerufen, Textilien länger zu nutzen und nicht so schnell wegzuwerfen. Recht hat sie, wie meine Kollegin Melanie Kräuter für unser Heft über Chemie Anfang 2022 herausgefunden hat: Sie schildert die Folgen der Wegwerfmode, aber auch Ansätze in der Branche, sich zu „entgiften“. Noch immer eine dringende Aufgabe! 

Medienschau: Was andere berichten

Handelsstrafe: Klamotten aus den USA verkaufen sich gut auf den Secondhand-Märkten Ugandas. Doch inzwischen kostet deren Einfuhr mehr als früher, und das schädigt die Verkäuferinnen. Was das alles mit der Handelspolitik der USA und dem Anti-Homosexuellen-Gesetz Ugandas zu tun hat, schildert gut Foreign Policy.

Zensur und Cyberattacken: China unterdrückt jede Erinnerung an das Tiananmen-Massaker. Zu dessen 35. Jahrestag hat Peking seine Cyber-Operationen dazu an private Hacker auslagert, die ihre Dienste aus einer Mischung aus Nationalismus und Profitstreben anbieten, berichtet The Conversation.

Agrarökologie in der Praxis: In der zweiten Folge der Podcast-Serie „Hunger auf Veränderung“ lässt das Inkota-Netzwerk Fachleute und Praktiker aus Rumänien, Österreich, Kenia, Brasilien, und Frankreich zu Wort kommen. Sie schildern Bewegungen für eine natur- und sozialverträgliche Landwirtschaft, ihre Erfolge und die Widerstände dagegen in ihren fünf Ländern.

Denkfabrik: Was Fachleute sagen

Die Wege des Goldes: Der Goldabbau bietet in Afrika Millionen Kleinschürfern ein Einkommen und finanziert Staaten und Rebellen. Ein erheblicher Teil des Edelmetalls kommt jedoch auf dunklen Wegen auf den Weltmarkt. Die Schweizer Organisation Swissaid bringt mehr Licht in diesen Handel; ich habe mir die Studie dazu angesehen.

Konfliktrohstoffe im Kongo: Zertifizierungsprogramme ändern weder am Schmuggel von Koltan und Co. noch am Krieg viel, findet Foreign Policy. Aber sie halsen den Kleinschürfern zusätzliche Kosten auf, erleichtern den Großen die Übernahme kleiner Minen und ernähren das Zertifizierungs-Geschäft.

Saubere Luft – mehr Erderhitzung: YaleE360 berichtet, wie Chinas Anstrengungen, die Luft sauberer zu machen, auch bewirken, dass die Sonne den Ozean stärker erwärmt. Die Folgen sind bedrohlich. Was jetzt? Die Luft weiter säubern – und Treibhausgase endlich drastisch reduzieren, raten die Fachleute.

Ausblick: Was nächste Woche ansteht

Sahel im Umbruch: Unter diesem Titel richtet das Netzwerk Fokus Sahel vom 10. bis 12. Juni eine dreitägige Konferenz über die die Entwicklungen in Mali, Burkina Faso, Niger und dem Tschad aus – mit vielen Vertreterinnen und Vertreter aus den Ländern selbst. Die Tagung findet in Berlin statt, in vier Städten im Sahel kann man sich auch virtuell zuschalten. Nähere Informationen hier.

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