Viele Politiker, so scheint es, teilen wirtschaftspolitische Entscheidungen in genau zwei Kategorien ein: wachstumsfördernd oder wachstumshemmend. Letzteres gilt es zu vermeiden, denn Wachstum muss sein. Unbedingt. Zu welchem Zweck eigentlich, fragen sich die beiden Skidelskys und bringen bei der Suche nach Antworten unterschiedliche Disziplinen zusammen: Der Vater Robert ist Wirtschaftstheoretiker, sein Sohn Edward Sozialphilosoph. Sie finden Wachstum nicht grundsätzlich schlecht, es helfe Gesellschaften aus der Armut und wirke in Krisenzeiten als Antidepressivum. Aber das Streben nach immer mehr sei eine Droge. Und irgendwann müsse es genug sein.
Die Endlichkeit der Ressourcen, die Zerstörung der Umwelt, der Klimawandel: All das interessiert die beiden Autoren nur am Rande. Ihr Ansatz ist erfrischend anders. Nicht die Auswirkungen des Überflusses stehen im Mittelpunkt, sondern die Frage nach dem eigentlichen Zweck unseres wirtschaftlichen Handelns. Antworten darauf finden die Autoren abseits aller Nachhaltigkeitsdebatten in der Wirtschaftsphilosophie. Ausgangspunkt ist John Maynard Keynes Projektion eines „goldenen Zeitalters“, in dem die Menschen weniger arbeiten müssen, aber trotzdem genug verdienen, satt und zufrieden sind.
In diesem Punkt aber irrte sich der Lebemann und Freigeist Keynes. Zwar wuchs die Wirtschaft immer weiter (wenn auch langsamer), die Arbeitszeit ist aber in den vergangenen Jahrzehnten kaum kürzer geworden. Das liege daran, dass der wachsende Wohlstand ungleich verteilt wurde und die Habgier gestiegen sei, erklären die Autoren. Obwohl zumindest in den Industrienationen alle Bedürfnisse längst befriedigt seien, hechelten die Menschen atemlos immer neuen Begierden hinterher.
Die Erkenntnis, dass die Wirtschaft, das Geld, nur Mittel zum Zweck sind, sei der Zivilisation abhandengekommen, ebenso wie die Vorstellung von einem „guten Leben“. Die aber hätten schon die alten Griechen wie auch die indische und chinesische Hochkultur gepflegt. Woran sich ein gutes und genügsames Leben heute orientieren könnte, skizzieren die Autoren mit der Einführung sogenannter Basisgüter. Als solche identifizieren sie reichlich allgemein Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur, Freundschaft – und die Muße. Letztere erst mache das Leben lebenswert.
Mehr Muße ist jedoch nur möglich, wenn die Menschen ihre lästigen Pflichten reduzieren – also weniger arbeiten. Folgerichtig machen sich die Autoren für ein Grundeinkommen, mehr Teilzeitarbeit und eine stärkere Sozialpolitik stark. Der Staat solle die materiellen Bedingungen schaffen, unter denen die Basisgüter gedeihen können. Und mit Hilfe progressiver Konsumsteuern und einer Einschränkung der Werbung den Konsumdruck senken. Den Ausweg aus der Tretmühle müssten die Menschen aber selbst finden.
Auch wenn manche Vorschläge wie die Definition der Basisgüter streitbar sind, besticht das Buch größtenteils durch seine klare und unvoreingenommene Argumentation. Etwa wenn im Kapitel über die Glücksforschung kritisiert wird, wie auch das Konstrukt des Bruttosozialglücks einer rein wachstumsorientierten Logik folgt. Die große Stärke des Buchs liegt aber in der moralphilosophischen Begründung der Wachstumskritik. Eben das regt zum Nachdenken an. (Sebastian Drescher)
erschienen in welt-sichten 9-2013
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