Gangster sollen Gärtner werden

Herausgeberkolumne
Wo sich soziale Ungleichheit und die Klimakrise verschärfen, nehmen auch politische Spannungen zu. Wer sie lösen will, muss bei sich selbst beginnen.

Der Chef eines großen Modekonzerns verdient in vier Tagen so viel wie eine Näherin in Bangladesch in ihrem ganzen Leben. Für die Produktion von Palmöl, das in zahlreichen Lebensmitteln steckt, werden weite Flächen Regenwald abgeholzt und oft auch Menschen von ihrem Land vertrieben. Der Ökumenische Rat der Kirchen stellt fest: „Unsere Welt war nie wohlhabender und gleichzeitig ungerechter als heute.“ Während sich soziale Ungleichheit und die globale Klimakrise verschärfen, nehmen als Folge auch politische Spannungen zu.

Die zentrale Frage ist, was sich gegen die systemische Krise tun lässt, in der die Welt gefangen scheint. Politische Maßnahmen wie höhere Steuern auf fossile Brennstoffe, Rechtsreformen – beispielsweise gegen Steuerflucht – und technische Innovationen wie etwa CO²-Sauger sind nötig, aber sie reichen bei weitem nicht aus. Denn sie sind fast alle mit einem Modell verbunden, das auf Konsum statt auf Genügsamkeit beruht, auf Konkurrenz statt auf Zusammenarbeit, auf Ausbeutung statt auf Respekt. Deshalb fordert die aktuelle Ökumenische Kampagne von Brot für alle und Fastenopfer eine umfassende „innere Transition“: den Wandel in Kopf, Herz und Hand von uns allen.

Die gute Nachricht ist: Es gibt bereits zahlreiche Möglichkeiten, sich für ein System einzusetzen, das die Grenzen des Planeten respektiert: Fairer Handel mit Ländern des Südens und solidarische Landwirtschaft hier bei uns bringen Bäuerinnen und Bauern Planungssicherheit und den Konsumierenden saisonales Gemüse auf den Teller. Lokale Tauschsysteme reduzieren den Neukauf von Produkten, und „Zero Waste“-Initiativen zeigen, wie man ressourcenschonend konsumieren und trotzdem lust- und genussvoll leben kann. Auch Unternehmen sind mit von der Partie: „Benefit Corporations“ verschreiben sich nicht in erster Linie der Maximierung des Gewinns, sondern stellen soziale und ökologische Themen ins Zentrum ihres Handelns. Beispiele dafür sind das niederländische Unternehmen Fairphone oder die Schweizer Firma Opaline, die Frucht- und Gemüsesäfte herstellt.

Die „Transition-Town“-Bewegung wiederum macht bereits seit 2006 von sich reden – ein Verbund von Städten, die sich nachhaltig selbst versorgen wollen. Inzwischen gibt es weltweit Hunderte von Gemeinden, die den Übergang zu einer postfossilen, sozial gerechteren Wirtschaft und Gesellschaft auf lokaler Ebene vorantreiben. Dies gelingt nur dank dem persönlichem Einsatz und der Fantasie all jener Menschen, die sich bewusst geworden sind, dass der Wandel von innen kommen muss. Sie sehen in der globalen ökonomischen und ökologischen Krise auch eine innere Krise: Viele Menschen haben die Verbindung zur Natur verloren und schenken der Frage nach dem Sinn des Lebens kaum Beachtung. Will man sich all diesen Krisen stellen, muss man dort beginnen, wo man am meisten bewirken kann: bei sich selbst und in seinem engsten Umfeld.

Auch im globalen Süden, der am meisten unter den Systemkrisen leidet, setzen sich Partnerorganisationen von Brot für alle mit innovativen Projekten für nachhaltigen Wandel ein. In Kenias Hauptstadt Nairobi etwa baut die Gruppe „Food Sovereignty Mathare“ im grauen, dreckigen und staubigen Umfeld des Slums gemeinsam Gemüse an und begeistert damit vor allem junge Leute. „Vom Gangster zum Gärtner und von der Prostitution in die Produktion“ lautet die Devise: die Jugendlichen zusammenbringen, um gemeinsam gute und gesunde Lebensmittel zu produzieren und so das direkte Umfeld ganz konkret zu verändern.

Diese Beispiele zeigen: Ein grundlegender Paradigmenwechsel ist angestoßen, und er tut dringend not. Der US-Umweltanwalt und Aktivist Gus Speth bringt die gefährliche Lage auf den Punkt: „Wir haben viele Siege errungen, aber wir sind dabei, den Planeten zu verlieren“. Will heißen: Wir haben einige Krankheiten besiegt, die absolute Armut verkleinert und die Bildungsquote weltweit erhöht. Doch gleichzeitig gefährden wir das Leben aller Bewohner des Planeten. Optimistisch stimmt, dass es ein Rezept dagegen gibt: „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst in dieser Welt“, forderte schon Mahatma Gandhi. Sein Zitat ist heute treffender denn je.

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erschienen in Ausgabe 5 / 2018: Müllberge als Goldgruben
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