Die Kirchenspaltung ist abgewendet

Gläubige beten während eines Sonntagmorgen-Gottesdienstes der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche in der Marienkirche in Mekele.
AP Photo/Ben Curtis
Gläubige beten während eines Sonntagmorgen-Gottesdienstes der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche in der Marienkirche in Mekele, in der Region Tigray im Norden Äthiopiens.
Äthiopien
Im Januar sagten sich einige Bischöfe von der Äthiopisch-orthodoxen Tewahdo-Kirche los, Mitte Februar sind sie wieder zurückgekehrt. Dazwischen gab es Unruhen mit Toten. Der Vorgang zeigt, wie schnell sich ethnische Spannungen in dem Land entzünden. 

In Äthiopien hat eine vorübergehende Kirchenspaltung zu Gewalt geführt. Ende Januar sagten sich drei Erzbischöfe und 26 Bischöfe von der Äthiopisch-orthodoxen Tewahdo Kirche (EOTC) los und gründeten eine neue Kirche, die Äthiopische Kirche von Oromo und anderen Nationen und Nationalitäten, weil sie die EOTC als von Amharen dominiert empfanden. Die Kirchenleitung der EOTC exkommunizierte fünf Tage später die Geistlichen und rief zu Protestkundgebungen auf, zu denen sich Tausende Kirchenmitglieder in verschiedenen Städten des Landes zusammenfanden. Die Leitung der neuen Kirche rief ihrerseits zu Protesten auf und versuchte, Kirchengebäude zu besetzen, wogegen wiederum EOTC-Mitglieder vorgingen. Polizei und Sicherheitskräfte mischten sich ein, in mehreren Städten kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. 

In Shashamane, einer Provinzstadt im Bundesstaat Oromia rund 250 Kilometer südlich von Addis Abeba, wurden dabei nach Angaben der EOTC mehr als 30 Menschen getötet und viele weitere verletzt. Die Äthiopische Menschenrechtskommission (EHRC), die die Gewaltausbrüche untersucht hat, nennt acht Tote und kritisiert die exzessive Gewalt der Sicherheitskräfte vor allem gegenüber den Mitgliedern der EOTC. Vor Gericht konnte die EOTC zwischenzeitlich bewirken, dass den abtrünnigen Geistlichen das Betreten aller Gotteshäuser der EOTC im Land verboten wurde. 

Hintergrund der Abspaltung sind ethnische Spannungen. Die Oromo, die in dem 120-Millionen-Staat mit rund einem Drittel die größte Bevölkerungsgruppe ausmachen, klagen seit Jahrzehnten, dass sie in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen gegenüber den Amharen und Tigrayern unterrepräsentiert seien, auch innerhalb der EOTC. „Wenn nur Geistliche von einer bestimmten Volksgruppe geistliche Ämter bekleiden, treibt dies die Menschen aus der Kirche“, zitieren lokale Medien Abuna Sawiros, einen der drei abtrünnigen Erzbischöfe. Diese forderten ein eigenes Patriarchat in der Oromia-Region sowie die Einführung der Sprache der Oromo als Gottesdienstsprache neben dem Amharischen und Ge’ez, der altäthiopischen Liturgiesprache. 

Unterstützt der Premierminister die Abtrünnigen?

Unklar ist, welche Haltung Premierminister Abiy Ahmed zu der Kirchenspaltung hat. Als die wechselseitigen Protestaufrufe veröffentlicht wurden, ließ er die sozialen Medien sperren und einen für den 12. Februar geplanten landesweiten Protestmarsch der EOTC verbieten. Auch wenn Abiy die Abtrünnigen offiziell nicht anerkannt hat, wirft ihm die EOTC-Kirchenleitung vor, sie zu unterstützen, um die EOTC zu schwächen. Abiy gehört einer Freikirche an; sein  Vater ist Oromo, die Mutter stammt aus Amhara. 

Die EOTC ist mit ihren mehr als 50 Millionen Mitgliedern nicht nur das zahlenstärkste Mitglied der orientalisch-orthodoxen Kirchenfamilie, sondern auch die älteste noch existierende christliche Kirche in Subsahara-Afrika. Nach eigenen Angaben zählt sie mehr als 40.000 Gemeinden und 1500 Klöster. 1500 Jahre lang, bis kurz nach dem Sturz von Kaiser Haile Selassie 1974, war das Christentum Staatsreligion in Äthiopien. Damit ist die EOTC eine wichtige gesellschaftliche Kraft, an der keiner so leicht vorbeikommt. Hätten sich die Gemeinden und Bistümer in der Oromia-Region abgespalten, hätte das der Kirche empfindlichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt, weil damit alles Eigentum der Bistümer und Gemeinden in den Besitz der neuen Kirche hätte übergehen können. 

Zum Erstaunen und zur Erleichterung vieler haben sich Mitte Februar die abtrünnigen Geistlichen mit ihrer ehemaligen Kirchenleitung wieder zusammengerauft. Die in die neue Kirche ordinierten Bischöfe geben ihre Titel ab und werden im Mai erneut von der EOTC ordiniert. Die drei Erzbischöfe kehren auf ihre alten Posten innerhalb der EOTC zurück. Außerdem wurde vereinbart, dass die EOTC sich sowohl in den Gottesdiensten als auch in der Priesterausbildung lokalen Sprachen öffnet. Dafür sollen unter anderem zusätzliche Priesterseminare und Hochschulen für die Ausbildung von lokalen Geistlichen, die die jeweils einheimische Sprache sprechen, eingerichtet werden.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2023: Religion und Frieden
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