Zittern um Friedensprozess in Kolumbien

Rechtsruck unter neuem Präsidenten Duque befürchtet
Seine Ankündigung aus dem Wahlkampf, den Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla zu überarbeiten, wiederholte Iván Duque beim Amtsantritt nicht. Doch die Aussöhnung in Kolumbien steht mit dem Machtwechsel mehr denn je auf der Kippe.

Rio de Janeiro/Bogotá (epd). Kolumbien stehen unruhige Zeiten bevor. Der Amtsantritt des rechtskonservativen Präsidenten Iván Duque markiert einen Scheidepunkt in der Friedenspolitik, mit der Vorgänger Juan Manuel Santos ein halbes Jahrhundert Krieg beendete. Die entwaffneten Guerilleros der einstigen Farc befürchten, dass der mühsam ausgehandelte Friedensvertrag durch die neue Regierung verändert oder schlicht nicht erfüllt wird. Der Versuch einer Versöhnung droht neuer Gewalt zu weichen.

In seiner Antrittsrede auf der Plaza Bolívar gab sich Duque versöhnlich. Er werde für alle Kolumbianer regieren, um "die Polarisierung zwischen links und rechts mittels Dialog zu überwinden", sagte er. Seine Ankündigung aus Wahlkampfzeiten, er werde den Friedensvertrag mit den Farc-Rebellen überarbeiten und härtere Strafen für die ehemaligen Kämpfer durchsetzen, wiederholte der neue Präsident nicht. Aber er betonte, er werde die laufenden Friedensgespräche mit der kleineren ELN-Guerilla einer eingehenden Prüfung unterziehen.

Fragezeichen hinterließ Duques Formulierung, nun sei eine "neue Generation" an der Macht. Noch ist es dem neuen starken Mann in dem südamerikanischen Land nicht gelungen, aus dem Schatten seines politischen Mentors zu treten, dem Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, der nach wie vor eine harte Hand und Unnachgiebigkeit gegenüber der Guerilla predigt.

Schwer bewaffnete Soldaten

Die Opposition setzt ihrerseits auf Konfrontation: Unweit der feierlichen Amtseinführung vor dem Kongressgebäude führte der in der Stichwahl unterlegene Linkspolitiker Gustavo Petro die erste Kundgebung gegen die Regierung Duque an. "Wir demonstrieren hier für den Frieden, für das Leben und für soziale Gerechtigkeit", erklärte der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá. Auch in anderen Städten demonstrierten Tausende für die Fortsetzung des Friedensprozesses.

Symbolisch für den Machtwechsel waren die strengen Sicherheitsvorkehrungen rund um den Bolívar-Platz. Schwer bewaffnete Soldaten sicherten das Stadtzentrum und versperrten sogar einem Senator der inzwischen in eine politische Partei verwandelte Farc den Zugang zur Zeremonie. Begründet wurde das Sicherheitsaufgebot mit der Angst vor Anschlägen durch Farc-Dissidenten, die für den Mord an einem Polizisten am Vortag verantwortlich gemacht werden.

Die Lage in Kolumbien ist weiter verworren: Dem Friedensprozess zum Trotz sind zahlreiche illegale bewaffnete Gruppen aktiv, darunter Farc-Guerilleros, die den Friedensschluss ablehnen, die ELN, die noch keinen Vertrag ausgehandelt hat, Banden, die aus den einstigen rechtsextremen Paramilitärs hervorgegangen sind, Drogenbanden und Gruppen von Auftragsmördern. Offenbar kämpfen sie alle um die Vorherrschaft und auch lukrative illegale Geschäfte in den ausgedehnten Landstrichen, die die Farc im Zuge ihrer Entwaffnung verlassen hat.

Kritik von rechts und von links

Diese Gruppen werden auch für die Ermordung von über 300 sozialen Aktivisten seit 2016 verantwortlich gemacht, die auch Santos nicht zu verhindern wusste. Auch fast 70 ehemalige Farc-Guerilleros seien seit dem Friedensschluss ermordet worden, sagt Ex-Rebell Marco Calarcá, der inzwischen für die Farc-Partei im Parlament sitzt. "Es ist zwingend notwendig, dass der Friedensvertrag korrekt umgesetzt wird und dass der Weg in Richtung sozialer Gerechtigkeit eingeschlagen wird", erklärt er. Es klingt wie ein Ultimatum, obwohl es kaum noch Druckmittel für diese Forderung gibt.

Santos, der international gefeiert wird und 2016 Friedensnobelpreis für seine Dialogpolitik erhielt, hat indes keinen leichten Abschied. Seine Beliebtheit im eigenen Land ist gering, von rechts wird ihm ein "Entgegenkommen an Terroristen" vorgeworfen und von links mangelnde Durchsetzungskraft im Friedensprozess. Stimmen, die mahnten, dass die eigentlichen Probleme erst nach den aufreibenden Friedensverhandlungen beginnen würden, scheinen recht zu behalten.

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