Provozierend anders

Liebe Freundinnen und Freunde von "welt-sichten", 

im Kulturzentrum „El Mejunje“ in der Stadt Santa Clara auf Kuba treffen grelle Drag Queens auf Seniorinnen, die Bolero-Musik lieben, und auf Studierende, die auf Techno abfahren. Wer hierherkommt, will den Traum vom diversen und offenen Kuba leben. Das Zentrum hat erfolgreich dafür gekämpft, dass Kubas Kommunisten zum Beispiel offene Homosexualität dulden, berichtet Knut Henkel. Seine Reportage ist Teil des Schwerpunkts „Vorsicht Subkultur!“ in unserer neuen Ausgabe. Sie lesen dort unter anderem auch, wie Künstlerinnen in Nepal eine traditionelle Maltechnik feministisch wenden und warum junge Leute in südafrikanischen Townships dem bizarren Brauch huldigen, teure Markenklamotten zu kaufen und sie dann in einer Mischung aus Tanzperformance und Wettkampf vor Publikum zu zerstören.

Unterhaltsame Lektüre wünscht

Das bewegt die Redaktion

An schlechten Nachrichten ist zurzeit leider kein Mangel. Fast unbeachtet bleibt da ein Befund aus dem jüngsten Bericht über den Zustand der Wälder in Deutschland: Ihre Fläche wächst leicht, aber der in ihnen gespeicherte Kohlenstoff hat infolge der Dürrejahre seit 2018 abgenommen. Wald ist also infolge der Klimaänderung von einer Senke zur Quelle von Kohlendioxid geworden – wahrscheinlich nicht nur bei uns. Da ich öfter im Taunus mit seinen Kahlflächen unterwegs bin, wundert mich das nicht. Es bedeutet, dass die deutschen Netto-Null-Ziele auf Sand gebaut sind, denn sie beruhen auf der Annahme, der Wald werde weiter Kohlendioxid aufnehmen und Emissionen „neutralisieren“. Dies ist ein kleines Zeichen für ein großes Problem: die verbreitete Wirklichkeitsverweigerung oder -beschönigung beim Thema Klimawandel – sogar unter Engagierten, die fürchten, Resignation zu fördern. Das Schönreden stört offenbar auch die Fachleute im Deutschen Klima-Konsortium so, dass sie nun fordern, die Tatsachen zu begreifen und offen zu benennen: Das 1,5-Grad-Ziel ist nicht mehr erreichbar und die Szenarien etwa vom Weltklimarat IPCC, nach denen man eine kurzzeitig höhere Temperatur mit negativen Emissionen wieder senken kann, beruhen auf sehr unsicheren Annahmen. Anpassung an heiße Zeiten ist dringend. Ob die Wissenschaftler ihre Mahnung an Politiker, die Medien oder andere Meinungsbildner richten, sagen sie nicht. Sie sind aber bei allen an der richtigen Adresse.

Neu auf "welt-sichten"

Neue Themen und Mitstreiter finden: Beim Kongress zum globalen Lernen in Kassel haben Engagierte mehr politischen Rückhalt gefordert. Die Szene will sich auch stärker Themen wie Inklusion und LGBTQ-Rechte widmen, berichtet Claudia Mende.

Gruppenverfolgung: Frauen sind laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Afghanistan als solche verfolgt und haben ohne Einzelfallprüfung Recht auf Schutz. Hier spricht die Justiz eine Wahrheit aus, mit der sich die Politik schwertut – ein Signal für den Schutz der Menschenrechte von Frauen, kommentiert Barbara Erbe.

Vom Meer auf den Teller: In der Hauptstadt von Bangladesch kommt frischer Fisch auf unterschiedlichste Arten zu den Kundinnen. Viele Händler verkaufen ihn am Straßenrand, andere bieten Stammkunden per Telefon den besten Fang an. Raffat Binte Rashid schildert in der Kolumne „Was tut sich in…“, wie es dabei zugeht.

Sparen an der falschen Stelle: Die Schweiz will die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit drastisch kürzen. Erfolgreiche Projekte zeigen: Die Begründungen beruhen auf Argumenten voller Vorurteile, schreibt Bernd Nilles in unserer Herausgeberkolumne.

Wer, was, wo? Stephan Exo-Kreischer, der Deutschland-Direktor von ONE, verantwortet seit September auch die Europa-Arbeit von ONE, und Martin Horstmann hat die Arbeitsstelle Anthropozän in der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg übernommen. Unsere Personalmeldungen im Oktober. 

Noch immer interessant

Doch noch Rechte für die Sahrauis: Der Europäische Gerichtshof hat Anfang Oktober einem langen Rechtsstreit ein Ende gesetzt mit dem Urteil, dass die EU-Handelsabkommen mit Marokko rechtswidrig sind. Denn sie sollten auch für die Westsahara gelten, die Marokko besetzt hat. Schon 2016 und 2017 hatten Vorinstanzen so entschieden und den Handel mit Marokko kompliziert. Dahinter steht der Kampf der Sahrauis für einen eigenen Staat, den Andrea Prada Bianchi und Pesha Magid in „welt-sichten“ 2023 ausführlich beschrieben haben. Noch immer erhellend!

Was Sie verpasst haben könnten

Hoffnungsschimmer: Haiti hat eine neue Regierung und die internationale Sicherheitsmission mit Polizisten aus Kenia arbeitet seit einigen Wochen. Das Land hat endlich eine Chance, der Bandengewalt zu entkommen – auch wenn man der mit Polizei allein nicht beikommen kann, erklären Renata Segura und Diega Da Rin von der International Crisis Group.

Mit weniger Geld besser helfen? Das Auswärtige Amt hat, überschattet von drohenden Etatkürzungen, eine neue Strategie für die humanitäre Hilfe im Ausland vorgelegt. Die soll effizienter werden, Fachleute hingegen vermissen einen klaren Fokus, berichtet Marina Zapf. 

Medienschau: Was andere berichten

Peking stellt auf Zuchtfisch um: China erzeugt und verbraucht weltweit den meisten Fisch. Es hat aber zuletzt gezielt den Fang im Meer verringert und Aquakultur ausgebaut. Gut für das Meer, aber die Öko-Vorschriften für die Zucht greifen bisher kaum, berichtet DialogueEarth.

Weltmeister beim Abschalten: Zwar kann die Bevölkerung in Indien – anders als etwa in China und Russland – frei im Internet recherchieren und posten. Aber die Regierung blockiert das Internet, wenn sie Kritik oder Aufruhr fürchtet, berichtet restofworld.org.

Greenwashing: Die Versprechen von 40 Großbanken, kaum noch in fossile Energie zu investieren, sind wenig glaubhaft. Über Töchter in Steueroasen vergeben Banken ein Gutteil ihres Kapitals und beschaffen sich Energiekonzerne Geld, erklären die Autorinnen einer Studie dazu in der neuen Podcast-Folge vom Tax Justice Network. Der schaut auch auf das Urteil, dass Apple tatsächlich 13 Milliarden Euro Steuern an Irland nachzahlen muss. Der „Taxcast“ ist wieder gut gemacht, spannend und unterhaltsam.

Denkfabrik: Was Fachleute sagen

Waffenhandel: Israel wird für seine Kriegführung in Gaza international kritisiert. Wer seine Hauptwaffenlieferanten sind und wie die auf die Kritik reagieren, schildert ein Papier aus dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. Ich fasse es zusammen.

Ende einer Freundschaft: Brasilien stand lange fest zu den regierenden Chavistas in Venezuela, geht jetzt aber auf Distanz zu Nicolás Maduro. Die wirtschaftlichen sowie innen- und außenpolitischen Gründe dafür und welche Chance darin liegt, erklärt Foreign Policy.

Ausblick

Pfade zum Frieden: Das Bonn International Center for Conversion (BICC) feiert sein 30-jähriges Bestehen in kriegerischen Zeiten. Seine Tagung in Bonn am 16. und 17. Oktober steht denn auch unter dem Titel „The Missing Peace“. Es geht unter anderem um neue Ansätze beim Peacebuilding, die Beteiligung von Migranten und warum es für Friedensförderung so wichtig ist, lokale Gesellschaften zu verstehen. Details hier.

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