Es geht um die Arbeitszeit, Dummkopf!

Mit seinen Thesen zur Rettung der Welt durch kurze Arbeitszeiten, offene Grenzen und ein bedingungsloses Grundeinkommen weckt der niederländische Historiker Rutger Bregmann alte Utopien wieder zum Leben.

Ein Maßstab für die Realitätstauglichkeit der Thesen von Rutger Bregmann war, wie er sagt, Maartje. Vermutlich ist sie seine Frau oder steht jedenfalls in einer engen Beziehung zu ihm. Beim Verfassen des Buches sei es ihm oft schwergefallen, ihre Kritik zu verkraften, bekennt er freimütig. Ihre Einwände seien in der Regel zutreffend gewesen. Für alle „verbleibenden Fehlschlüsse, unklaren Formulierungen und unerreichbaren Illusionen“ sei allein er verantwortlich.

An Maartje liegt es also nicht, wenn einem bei Bregmanns Ausführungen Zweifel kommen. Der Verlag nennt den 29-jährigen Niederländer einen „Vordenker“. Doch wäre die treffendere Bezeichnung nicht „Zurückdenker“? Die visionären Ideen, die er formuliert, gibt es ja alle schon: 15-Stunden-Woche, offene Grenzen, bedingungsloses Grundeinkommen – darum ranken sich lange Diskussionen. Der Autor selbst schreibt, dass, angefangen mit Thomas More im Jahr 1516, ungezählte Ökonomen und Philosophen das bedingungslose, universelle Grundeinkommen befürwortet haben. Ausgerechnet ein konservativer US-Präsident, Richard Nixon, habe diese Idee 1969 fast in die Tat umgesetzt.

Ähnlich verfolgt der Autor die Vorstellung einer „Zukunft voller Freizeit“ zurück zu ihren Anfängen: über den britischen Ökonomen John Maynard Keynes bis zu Karl Marx und sogar bis zu dem amerikanischen Gründervater Benjamin Franklin. In der Verkürzung der Arbeitszeit sieht Bregmann die Lösung für fast alle Probleme. Sie könne, weltweit angewendet, sogar die CO2-Emissionen halbieren, denn Länder mit einer kürzeren Arbeitswoche hätten einen kleineren ökologischen Fußabdruck. Und eine Öffnung von Grenzen sieht der Autor als „bei weitem wirksamste Waffe im globalen Kampf gegen die Armut“. Neu ist auch das nicht.

Bregmanns Verdienst ist also nicht, dass er kühne neue Entwürfe entwickelt hätte, sondern dass er kühn fragt, warum vorhandene noch nicht in die Tat umgesetzt sind. Sein Buch ist ein Plädoyer für die Rückkehr der Utopie in unsere „freudlose Ära“, in der ohne Utopie nur die Technokratie bleibe. Er zitiert dazu den britischen Philosophen Bertrand Russell mit den Worten: „Unser Ziel sollte nicht ein vollkommenes Utopia sein, sondern eine Welt, in der Phantasie und Hoffnung lebendig sind.“

So betrachtet ist es nicht so wichtig, ob Maartje den einen oder anderen Fehlschluss, die eine oder andere Illusion übersehen hat. Wichtig ist Bregmanns Überzeugung, dass Ideen grundsätzlich die Welt verändern können. Er lässt sich nicht mit dem Argument zum Schweigen bringen, sie seien nicht realisierbar.
 

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