Der Wirtschaftswissenschaftler Siddharth Kara beleuchtet in seinem Buch "Blutrotes Kobalt" die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kleinschürfer in den Kobaltminen der Demokratischen Republik Kongo – und prangert an, dass internationale Bergbaugesellschaften und Industrien wegschauen.
Der Autor hat die Demokratische Republik Kongo in den vergangenen Jahren mehrfach bereist und dabei vor allem die Arbeits- und Lebensbedingungen der sogenannten „handwerklichen Schürfer“ erkundet. So werden Abertausende Kleinschürfer beschönigend genannt, die mit Hacken und Schaufeln, nicht selten barfuß und in Lumpen gekleidet, von Hand das unter der Oberfläche liegende Kobalterz zerstückeln, zusammenkratzen und zur nächstgelegenen Piste schleppen. Von dort transportieren sie es meist auf dem eigenen Rücken zu den Aufkäufern, die ihnen einen Hungerlohn dafür bezahlen. Unter den Schürfern sind viele Kinder und Frauen – junge, alte und sogar schwangere. Zwar ist dies gesetzlich verboten, aber die illegale Beschäftigung wird von den Behörden geduldet und damit indirekt gefördert.
Was dagegen nach Kräften unterbunden wird, ist der Zutritt Außenstehender zu den Minen oder besser Schürffeldern. Weder Regierungssoldaten noch bewaffnete Kontrolleure wollen kritische Öffentlichkeit und verwehren deshalb Außenstehenden den Zutritt zu den Abbaugebieten auf das Strengste. Sie sind dafür bekannt, dass sie nicht zimperlich mit „Eindringlingen“ und „Störern“ umgehen. Kara wurde, wie er berichtet, bei seiner Recherche mehrmals von bewaffneten Männern, auch aus der Armee, bedroht.
Die Zustände, die der Autor beschreibt, sind menschenunwürdig. Da die Erzadern manchmal auch in tieferen Erdschichten liegen, kommt es immer wieder vor, dass die mit primitivem Werkzeug in den Berg getriebenen und kaum gesicherten Stollen einstürzen. Die Zahl der Verletzten, Versehrten und Getöteten wird dabei nicht registriert – sie existieren ja offiziell nicht. Darüber hinaus liegen die Erze nicht immer in Reinform vor. Der Umgang mit giftigen Stoffen wie etwa Quecksilber, die darin enthalten sein können, verursacht oft schwere Gesundheitsschäden.
Faktenreich und erschütternd
Aber nicht nur die Menschen leiden, der Bergbau hinterlässt auch verwüstete Landstriche. Kara wirft den internationalen Bergbaugesellschaften vor, sie gäben, ebenso wie die Tech- und Automobilindustrie, nur vor, für menschenwürdige Verhältnisse in den Lieferketten zu sorgen. Sie schauten nicht genau hin, wo die Rohstoffe, die sie beziehen, herkämen und wie sie gewonnen würden. Neben dem offiziellen Abbau, den sie in lizenzierten Minen mit modernen Methoden betrieben, kauften sie auch Rohstoffe von zweifelhaften Zwischenhändlern, die sehr häufig aus China kämen, wie er anhand von Aussagen etlicher Interviewpartner belegt. Auch die Aufseher in den illegalen Minen, die der Autor aufgesucht hat, waren in der Regel Chinesen. So wurden ihm Videos zugespielt, auf denen zu sehen war, wie chinesische Aufseher Schürfer brutal verprügelten.
„Blutrotes Kobalt“ ist ein ebenso erschütterndes wie faktenreiches Buch. Angesichts der gegenwärtigen Diskussion um die angeblich zu strengen Lieferkettengesetze in Deutschland und der EU sollte es uns beschämen.
Neuen Kommentar hinzufügen