Die Nofretete bleibt in Berlin

Im April hat sich die EU eine neue Regelung gegeben, mit der die Rückgabe von illegal erworbenen oder exportierten Kulturgütern erleichtert werden soll. Länder des Südens, deren Schätze während der Kolonialzeit gestohlen wurden, gehen aber leer aus.

Der illegale Handel mit Kunst und antiken Kulturgegenständen blüht, der gemeinsame Binnenmarkt macht es leichter, gestohlenes Gut in anderen EU-Ländern zu verkaufen. Darunter sind oft Kunstwerke, antike Kultgegenstände oder archäologische Fundstücke, die in den Ursprungsländern zusätzlich symbolischen Wert als „nationale Kulturschätze“ haben.

Die Rückforderung und Rückgabe solchen Diebesguts ist umständlich, auch wenn es schon seit 1993 eine EU-Richtlinie gibt, die das erleichtern sollte. Die aber habe sich als wenig nützlich erwiesen, so die EU-Kommission, die im vergangenen Jahr eine neue Richtlinie vorgeschlagen hat, die das verbessern soll. Das EU-Parlament hat die Vorlage am 14. April angenommen, und wenn der Ministerrat, wie zu erwarten ist, noch vor seiner Sommerpause zustimmt, müssen die EU-Staaten die Richtlinie in den folgenden anderthalb Jahren in ihrer nationalen Gesetzgebung umsetzen.

Auch das dürfte unproblematisch sein, denn die neue Richtlinie bringt zwar ein wenig mehr Klarheit, was als „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ gelten kann. Sie soll außerdem den Informationsaustausch zwischen den Fahndern in den EU-Staaten fördern. Aber sie enthält als neue Qualität im Vergleich zur früheren Richtlinie nur, dass die Beweislast umgekehrt wird: Der neue Besitzer eines gestohlenen Kulturguts muss nun belegen, dass er dies nach bestem Wissen und Gewissen erworben hat; bisher mussten die Fahnder beweisen, dass dies nicht der Fall war.

Die Richtlinie ist nur unter ­EU-Mitgliedern verbindlich

Auch die neue EU-Richtlinie zu gestohlenen Kulturschätzen ignoriert die Frage, wie es denn um die Rückgabe der immensen Kulturschätze anderer Völker und Staaten steht, die in Europas Museen und Sammlungen angehäuft worden sind. Sogar beim Durchgang des Kommissionstextes in Ausschüssen und im Plenum kam dies nicht vor. Auf Nachfrage dazu gab es rundum nur zwei Standardantworten: Erstens, eine neue gesetzliche Regel dürfe nicht rückwirkend gelten. Zweitens könne eine EU-Richtlinie nur unter EU-Mitgliedstaaten verbindlich sein, aber nicht – zumindest nicht direkt – gegenüber Drittstaaten. Der Kopf von Nofretete bleibt also in Berlin sicher vor dem Zugriff Ägyptens.

Dabei hätte ein Hinweis auf die einschlägigen UN- und UNESCO-Konventionen wenigstens ein Fenster zum Lüften des eurozentrischen Miefs öffnen können. Darauf hat jedoch in der Brüsseler Betriebsamkeit keiner einen Gedanken verschwendet. Alle 28 EU-Staaten sind Mitglieder der Haager Konvention von 1954 zur Rückgabe kultureller „Kriegsbeute“, der UNESCO-Konvention von 1970 zur Rückgabe kulturellen Eigentums, der damit seit 1978 verzahnten zwischenstaatlichen Kommission, die das bewerkstelligt, und der UNIDROIT-Konvention, die seit 1995 die privatrechtlichen Verfahren dabei vermittelt.

Ein Verweis darauf in der EU-Richtlinie hätte Drittstaaten und ihren öffentlichen Einrichtungen wie Museen und Universitäten als rechtlicher Hebel gegen den florierenden EU-Markt mit ihren Kulturschätzen dienen können.

Zudem könnte Brüssel selbst diesen Konventionen beitreten und deren Regeln als verbindliches Recht anerkennen. Doch während sich die EU als Rechtsperson in anderen UN-Gremien mächtig aufspielt, ist sie auffällig abwesend bei einer Reihe von grundlegenden UN-Konventionen, die ihr weniger in den Kram passen.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2014: Tschad: Langer Kampf um Gerechtigkeit
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