Sie reisen häufig in den Ostkongo. Wie erleben Sie die Situation der Minenarbeiter?
Die Kleinbergleute sind vor allem arme Menschen, die unter harten Bedingungen arbeiten. In so einer Grube buddelt niemand gerne. Aber es gibt eben kaum alternative Beschäftigung. Die meisten arbeiten als informelle Kleinschürfer. Es gibt im Kongo sechs industrielle Minen mit zusammen knapp 4000 Beschäftigten, aber rund 2700 Abbaustätten, in denen etwa eine halbe Million Kleinschürfer tätig sind. Der Abbau und Handel der Rohstoffe findet dort häufig ohne staatliche Kontrolle statt.
Sie unterstützen das kongolesische Minenministerium beim Aufbau eines Zertifizierungssystems. Was soll damit erreicht werden?
Das Zertifizierungssystem soll informelle Minen dahin führen, sich an bestehendes Gesetz zu halten – also beispielsweise Kinderarbeit zu unterbinden und Umweltauflagen zu beachten. Zudem arbeiten die zertifizierten Minen transparenter und die abgebauten Rohstoffe müssen nachverfolgbar sein. Dem Staat hilft das, den Handel zu kontrollieren und Steuern einzuziehen. Schmelzhütten und Verarbeitern gibt das System mehr Sicherheit über die Herkunft der Metalle und zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten.
Wie läuft die Zertifizierung ab?
Mit unserem Partner schauen wir zuerst, welche Minen infrage kommen. Sie müssen erreichbar sein und in Gegenden liegen, die nicht direkt von Kämpfen betroffen sind. Ein unabhängiger Auditor überprüft dann die Minen nach fünf Prinzipien: Transparenz, Arbeitsbedingungen, Sicherheit, Minen-Umfeld und Umweltschutz. Ein erster Bericht stellt fest, welche Verbesserungen nötig sind. Die Minenbetreiber, meist Genossenschaften, haben dann etwa ein Jahr Zeit, das umzusetzen und werden dabei unterstützt. Erst nach einer weiteren unabhängigen Prüfung vor Ort kann die Mine zur Zertifizierung vorgeschlagen werden. Das macht aber nicht die BGR, sondern das kongolesische Ministerium. Wir begleiten das nur.
Laut Projektplan sollen bis Ende 2017 ein Fünftel der Minen im Ostkongo zertifiziert werden, die 60 Prozent der Gesamtproduktion von Zinn-Tantal, Wolfram und Gold fördern. Wie weit sind Sie damit?
Es ist unmöglich, alle Minen im Kongo zu zertifizieren. Es gibt sehr viele kleine Minen, die Kleinschürfer ziehen häufig von einer Grube zur nächsten. Wir versuchen deshalb, die Minen zu zertifizieren, die aufgrund ihrer Größe einen Unterschied machen. Anfang 2017 wurden 37 Prozent des Zinn-Erzes in zertifizierten Minen geschürft, bei Tantal waren es 27 Prozent. Obwohl wir bislang nur sieben Minen zertifiziert haben, ist die Abdeckung schon recht gut.
###fbild-1-31###Wie sieht es beim Gold aus?
Von vier Goldminen liegen Baseline-Audits vor. Es ist geplant, zwei dieser Betriebe bis Ende 2017 zu zertifizieren. Es ist bei Gold schwer, sicherzustellen, dass es in die richtigen Hände gerät und nicht zwischendurch einfach eingeschmolzen und außer Landes geschmuggelt wird. Generell ist es kaum möglich, den Abbau und Handel von Gold komplett zu kontrollieren. Es hat im Unterschied zu Tantal- oder Zinn-Erzen einen viel höheren Wert pro Kilogramm und kann dadurch leichter geschmuggelt werden, oft auch auf dem Luftweg. Experten der Vereinten Nationen schätzen, dass 97 Prozent des Goldes aus dem Kleinbergbau im Kongo illegal ausgeführt werden. Die bewaffneten Gruppen haben sich heute vor allem auf den Goldhandel konzentriert – andere Erze spielen kaum mehr eine Rolle.
Zum Ziel, bewaffneten Gruppen die finanzielle Grundlage zu entziehen, trägt die Zertifizierung also noch nicht bei?
Nur sehr bedingt. Es greift aber auch zu kurz, wenn man sagt, die Zertifizierung könne Konflikte verhindern. Fällt der Handel mit Gold als Einnahmequelle weg, dann finanzieren sich die Milizen eben aus dem Geschäft mit der Holzkohle oder anderen illegalen Geschäften. Trotzdem ist unser Projekt sinnvoll, weil es die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert. Man geht davon aus, dass rund zwei Drittel aller Minen konfliktfrei sind, dort also keine bewaffneten Gruppen mitmischen oder illegale Steuern erhoben werden. Die Zertifizierung kann sicherstellen, dass die dortigen Kleinschürfer ihre Ware auf legalem Wege verkaufen können.
Wie kann beispielsweise ein deutscher Importeur sicher sein, dass Erze tatsächlich aus zertifizierten Minen stammen und nicht aus dem Kongo geschmuggelt wurden?
Er kann bei den Verkäufern auf Transparenz drängen, vor allem bei den Schmelzen. Diese sollten offenlegen, aus welchen Minen sie ihre Rohstoffe beziehen. Der Dodd-Frank-Act in den USA oder die neue EU-Regelung für Konfliktmineralien fordern diese Sorgfaltspflicht von den Unternehmen ein. Am konsequentesten haben das bislang die Produzenten des Fairphones gemacht, die sich direkt vor Ort in den zertifizierten Minen angeschaut haben, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird.
Der Dodd-Frank-Act verpflichtet seit 2010 in den USA börsenpflichtige Unternehmen, offenzulegen, wenn sie Mineralien aus Konfliktgebieten im Kongo verwenden. Welche Auswirkungen hatte das auf den Kleinbergbau im Ostkongo?
Das Gesetz hat sicherlich für viel öffentliches Interesse an dem Thema gesorgt. Das Problem ist die Konzentration auf den Kongo. Aus „konfliktfrei“ haben große Unternehmen zwischenzeitlich einfach „Kongo-frei“ gemacht und sich aus der Region zurückgezogen. Das hat vielen Schürfern geschadet, die eigentlich legal arbeiten. Sie mussten ihre Ware günstiger an illegale Händler verkaufen, die die Erze nach Asien geschmuggelt haben. Vor Ort hat die Regelung also nur bedingt geholfen.
Sollte man deshalb die Regelung wieder abschaffen, so wie es US-Präsident Donald Trump angekündigt hat?
Das würde die falschen Signale setzen. Die Unternehmen sind jetzt endlich verpflichtet, mehr Verantwortung zu übernehmen. Was sich vor Ort verändert, wenn die Regelung außer Kraft gesetzt wird, ist aber schwer zu sagen.
Europa ist der wichtigste Abnehmer von Mineralien aus dem Kongo. Könnte die neue EU-Regelung, die ab 2021 strengere Kontrollen vorsieht, im Kongo ebenfalls schaden?
Die Europäische Union hat nicht den Fehler des Dodd-Frank-Act wiederholt. Die EU-Regelung bezieht sich generell auf Rohstoffe aus Risikogebieten. Dadurch ist der Druck weg, aus einer bestimmten Region nicht mehr einzukaufen. Der Kongo könnte von der Regelung profitieren, weil es dort schon Zertifizierungssysteme gibt, was zum Beispiel in Südamerika noch fehlt. Aber generell gilt: Man kann viele Gesetze in Europa oder den USA erlassen; solange die Kinder in Katanga nicht in die Schule, sondern in den Kleinbergbau gehen, bleibt der Einfluss gering.
Für Verbraucher ist nicht zu erkennen, in welchen Produkten zertifizierte Erze enthalten sind. Wäre eine Art Siegel sinnvoll?
Darüber denkt auch die Industrie nach. Aber es ist schwer zu sagen, ob es die Kaufentscheidung der breiten Masse beeinflussen würde, wenn auf einem Smartphone stehen würde „enthält konfliktfreies Coltan“. Das Fairphone zum Beispiel hat nun zwar hunderttausend Exemplare verkauft – doch das ist kein besonders hoher Anteil am Milliardenmarkt der Smartphones.
Das Gespräch führte Sebastian Drescher.
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