Das Wasser schwindet

Zum Thema
Klimarisikoversicherung
Deodatus Mfugale

Die Leute aus Msaraja holen ihr ­Trinkwasser aus einem kleinen Fluss fünf Kilo­meter vom Dorf entfernt. Seit einigen Jahren führt er in der Trockenzeit immer weniger Wasser. 

Tansania
Der Klimawandel lässt an der Ostküste Tansanias den Meeresspiegel steigen und die Flüsse austrocknen. Die Ernten von Reis und Kokosnüssen gehen zurück. Auch das Trinkwasser wird knapp.

Wenn die 14-jährige Bahati Wasongwa aus dem Dorf Msaraja am Rand der tansanischen Kleinstadt Pangani um drei Uhr Schulschluss hat, fängt die Arbeit für sie erst richtig an. Sie hat eine Vielzahl von Aufgaben im Haushalt zu erledigen, unter anderem muss sie Wasser für die sechsköpfige Familie holen. Jeden zweiten Tag legt die Schülerin der Bushiri-Grundschule dafür 20 Kilometer mit dem Fahrrad zurück, und das auf Wegen, auf denen sie streckenweise schieben muss. Alle Einwohnerinnen und Einwohner von Msaraja müssen sich ihr Trinkwasser aus einem kleinen Fluss holen, der in ungefähr fünf Kilometer Entfernung durch den Hodihodi-Wald fließt. Dazu fährt und schiebt man ein Fahrrad über einen unbefestigten Weg und folgt dann einem Pfad durch den dichten Wald, bis der kaum fünf Zentimeter tiefe Wasserlauf erreicht ist. In der Regenzeit schwillt er an und mündet in den Fluss Pangani, in der Trockenzeit wird er zum Rinnsal, das schon nach kurzer Strecke im Wald versickert.

Der einst lebendige Fluss ist dem Klimawandel zum Opfer gefallen. Die Dorfbewohner sind jetzt nur noch in der Regenzeit üppig mit Trinkwasser versorgt, doch selbst dann schwillt der Fluss nicht mehr zu seiner einstigen Größe an. „Ich schaffe zwei Touren am Tag, bevor es dunkel wird. Mein Vater mietet jedes Mal ein Fahrrad, und ich kann nur zwei Kanister von je 20 Litern transportieren“, erklärt Bahati Wasongwa. Die 80 Liter Wasser werden zum Trinken und Kochen benötigt und reichen für zwei Tage. Für diese anstrengende Art, sich mit Wasser zu versorgen, muss die Familie monatlich 8000 tansanische Schilling (2,90 Euro) ausgeben – viel Geld für Dorfbewohner, die selten über ein regelmäßiges Einkommen verfügen.

„Fast die Hälfte der Strecke müssen wir die Räder schieben, weil es über einen Berg geht, das ist mit dem Wasser nicht zu schaffen“, sagt die 14-jährige Christina Mathias, eine Nachbarin und Klassenkameradin von Bahati. Die beiden Mädchen machen den Weg stets gemeinsam. Bislang sind sie noch nie belästigt worden, aber sicher können sie sich nicht fühlen. Im tiefen Wald haben ihre Handys keine Verbindung, so dass sie im Notfall keine Hilfe holen könnten.

Das Wasser aus dem Brunnen wird braun

Fatuma Hemed aus dem Dorf Matakani hat ebenfalls Mühe, an Trinkwasser zu kommen. „Noch vor fünf Jahren konnten wir unser Wasser ungefähr 500 Meter von hier aus dem Pangani holen, aber nun ist es salzig und zu nichts mehr zu gebrauchen. Jetzt müssen wir Wasser für 500 Schilling pro 20-Liter-Kanister kaufen. Es fließt zwar ein Bach durch unser Dorf, aber der führt nur in der Regenzeit Wasser“, sagt sie. Die dreiköpfige Familie kommt mit einem Kanister vier Tage aus, so dass sie im Monat ungefähr 4000 Schilling (1,45 Euro) für Wasser aufbringen muss.

Eine Hilfsorganisation hat versucht, den Dorfbewohnern zu mehr und besserem Wasser zu verhelfen: Sie bohrte einen Brunnen und installierte eine mechanische Pumpe. „Aber das Wasser vom Brunnen ist nicht gut, es wird nach einer halben Stunde braun, und auch das Essen, das man darin kocht, verfärbt sich braun“, erklärt Fatuma.

Die Menschen in der Region sehen mit Sorge, dass sie immer weniger Trinkwasser zur Verfügung haben. „In den vergangenen Jahren ist das Wasser erheblich zurückgegangen, und ich fürchte, bald wird es gar keines mehr geben, obwohl wir hier mitten in einem dichten Waldgebiet leben“, sagt Mbarak Mohamed, der in Msaraja wohnt. Die Ursache sieht er wie viele in kürzeren, weniger wasserreichen Regenzeiten. „Aber warum das Wasser des Pangani salzig geworden ist, weiß niemand so recht. Es wird behauptet, der Indische Ozean sei angestiegen“, meint er.

Der für den Bezirk Pangani zuständige Wasserwart Novath Wilson bestätigt, dass die Trinkwasserversorgung hauptsächlich deshalb schlechter geworden ist, weil es weniger regnet und der Meeresspiegel steigt. „In ländlichen Gebieten sind natürliche Wasserstellen wie Flüsse und Quellen aufgrund der anhaltenden Trockenheit versiegt. Früher gehörten wir zum Kibinda-Wasserversorgungssystem, doch der Fluss, der es gespeist hat, ist inzwischen ausgetrocknet. Wir sind überzeugt, dass dies eine Folge des Klimawandels ist“, erklärt Wilson.

Autor

Deodatus Mfugale

ist freier Journalist in Tansania.
Ganze Siedlungen am Ufer des Pangani, die ihr Wasser aus dem Fluss bezogen, seien bereits weiter stromaufwärts gezogen, weil sich das Flusswasser mit Salzwasser vermischt hat, fügt er hinzu. Der Bezirksrat lässt in Siedlungen, die in einiger Entfernung vom Pangani liegen, Brunnen bohren; denen, die sich direkt am Flussufer befinden, rät er, das Wasser von stromaufwärts zu holen, wohin noch kein Salzwasser gedrungen ist.

Die Infiltration von Salzwasser ist ein großes Problem, hauptsächlich wegen der Lage der Stadt Pangani und der umliegenden Dörfer. „Pangani liegt 60 Zentimeter unter Meeresniveau, so dass selbst ein leichter Anstieg des Ozeanspiegels spürbar wird. Deshalb sind so viele Trinkwasserstellen durch Salzwasser verdorben. Der Fluss Pangani mildert die Folgen etwas ab, sonst wäre es noch schlimmer“, sagt der Umweltbeauftragte des Bezirks, Daud Mlahagwa.

Der Anstieg des Meeresspiegels mache sich vor allem dadurch bemerkbar, dass das Meerwasser über den Flusslauf des Pangani stromaufwärts gedrückt wird, erklärt er. „Ohne den Fluss wäre die Stadt vom steigenden Meeresspiegel schon längst überflutet worden“, sagt er. Doch auch so verursacht der Meeresanstieg Schäden an der Infrastruktur und am Strand. Vor zehn Jahren stand bei Flut Wasser in den Straßen und drohte, Häuser zum Einsturz zu bringen. Und am Meeresufer kam es durch umstürzende Mangrovenbäume zu Erosion.

Die Stadtverwaltung hat deshalb im vergangenen Jahr mit dem Bau einer Mauer begonnen. Sie soll sich knapp einen Kilometer am Nordufer des Pangani entlangziehen, um die dort liegende Stadt zu schützen. Der Bau wird vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen finanziert; derzeit bemüht man sich darum, Geld für die Errichtung einer entsprechenden Mauer am Südufer aufzutreiben.

Die Menschen im Bezirk Pangani leben hauptsächlich von Kokosnusspflanzungen und vom Fischfang, in geringem Umfang auch vom Reisanbau. Die langen Trockenperioden und der steigende Meeresspiegel machen es ihnen deutlich schwerer, ihr Auskommen zu finden. Mbarak Mohamed, dem eine große Kokosnussplantage gehörte, hat viele Pflanzen durch das Salzwasser verloren. Von den übrigen Bäumen tragen etliche bloß noch verkümmerte Früchte. „Früher habe ich von einem einzigen Baum bis zu 50 Kokosnüsse geerntet, heute sind es gerade einmal fünf, manchmal gar keine“, sagt er. Um über die Runden zu kommen, betreibt er zusätzlich einen kleinen Laden.

Rentable Kokosnusspflanzungen gibt es nur noch weiter stromauf am Pangani. „Bei denen ist alles in Ordnung, sie gedeihen gut, weil das bei Flut flussaufwärts gedrückte Meerwasser dazu führt, dass ihre Pflanzungen mehr Süßwasser erreicht“, sagt Ramadhani Zuberi, der zuständige Regierungsvertreter für Landwirtschaft, Bewässerung und Kooperativen. Das sei jedoch nur ein kurzfristiger Vorteil. „Je höher der Meeresspiegel steigt, desto mehr Salzwasser wird auch in die verbleibenden Kokosnusspflanzungen einsickern und die Ernten zerstören.“ Die Kokosnusspflanzer, deren Ertrag um 40 Prozent gesunken ist, bauten nun zum Ausgleich verstärkt Maniok an.

Die Reisbauern bleiben von den längeren Trockenperioden ebenfalls nicht verschont, auch ein Teil der zum Reisanbau genutzten Flächen ist bereits vom Meerwasser infiltriert und unbrauchbar gemacht worden. „Wir haben an die Bauern Saatgut für trockenresistente Sorten verteilt, darunter Sorghum und Maniok, das sie im Februar und März ausbringen können, wenn normalerweise die Regenzeit beginnt. Einige haben sich auch der Milchwirtschaft und anderen Einkommensquellen ­zugewandt“, erklärt Zuberi.

Rashid Habib, der in Pangani wohnt, ist seit seinem fünfzehnten Lebensjahr Fischer. Er hat miterlebt, wie sich der Fluss verändert hat und der Bestand an Meeres- und Flussfischen immer weiter gesunken ist. Trotzdem hat sich nicht nur die Nachfrage nach Fisch, sondern auch die Zahl der Fischer vergrößert. „Der Rückgang des Regens und die langen Trockenzeiten haben dazu geführt, dass viele Bauern sich nun als Fischer versuchen, um ihr Einkommen aufzubessern“, sagt der 39-Jährige. Aber das sei keine Lösung. „Es gibt einfach zu viele Fischer und zu wenig Fische. Sicher hat auch der Anstieg der Zahl der Fischer zur Abnahme der Fischbestände geführt, aber Umweltveränderungen haben ebenfalls eine große Rolle gespielt.“

Es ist schwierig geworden, im Fluss einen guten Fang zu machen, weil er über eine beträchtliche Länge mit Meerwasser vermischt ist. „Vor ein paar Jahren konnte man noch direkt vor der Stadt auf dem Fluss fischen, aber jetzt muss man schon 40 Kilo­meter stromaufwärts fahren, um ein paar Fische zu ergattern, wenn man überhaupt welche fängt“, sagt Rashid Habib. Auch die Fischer, die aufs Meer fahren, kehren mit weniger vollen Netzen zurück als früher. „Einige sagen, der Klimawandel sei schuld“, meint er. „Aber für uns ist das alles einfach nicht normal, wir können uns nicht erklären, warum das geschieht.“

Aus dem Englischen von Thomas Wollermann.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2018: Neu ist Kult
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