Der Klimaschutz soll wohl warten

Von Sunita Narain

Die derzeitige Weltwirtschaftskrise wäre eine Chance, den Umstieg auf eine umweltfreundliche Produktion und Energieversorgung einzuleiten. Doch die alten Industrieländer machen weiter wie bisher. Ihre milliardenschweren Rettungspakete klotzen bei der Autoindustrie und kleckern bei erneuerbaren Energien. China und Südkorea machen es besser.

Die globale Krise hat Hoffnungen genährt, die Regierungen würden mit ihren Konjunkturpaketen die Volkswirtschaften auf den Klimawandel vorbereiten. Das hat sich leider als falsch erwiesen. Die rosafarbene „Financial Times" kommt in einer Analyse der „grünen" Konjunkturprogramme zu dem Schluss, dass außer China und Südkorea alle derzeitigen Klimasünder zu wenig tun, um ihre Volkswirtschaften umweltfreundlich umzugestalten. Japan wird gerade einmal drei Prozent seines Programms zur Verringerung des Energieverbrauchs verwenden, Kanada acht Prozent und Australien neun Prozent.

Selbst in den USA, wo US-Präsident Obama grüne Jobs in einer grünen Wirtschaft versprochen hat, ist die Bilanz düster. Washington wird ungefähr zwölf Prozent seines fast eine Billion US-Dollar schweren Rettungspakets für Umweltmaßnahmen ausgeben. Das hört sich zunächst viel an: 112 Milliarden Dollar für die Modernisierung der Versorgungsnetze, höhere Energieeffizienz, Steuervorteile für erneuerbare Energien, öffentliche Transportmittel und Hochgeschwindigkeitszüge. Tatsache ist aber, dass die USA ebenso wie andere Länder den Großteil des staatlichen Geldes dafür ausgeben werden, mehr Emissionen zu erzeugen und die Probleme zu vergrößern. In den meisten Industrieländern wie den USA, Australien, Japan oder Kanada ist der Ausstoß von Treibhausgasen zwischen 1990 und 2006 um 20 bis 40 Prozent gestiegen. Wenn sich das ändern soll, müssen sie ihre Wirtschaft buchstäblich neu erfinden. Aber davon kann bislang keine Rede sein.

Südkorea und China dagegen treiben echte Veränderungen voran. Laut der „Financial Times" wird Peking mindestens 40 Prozent seines Konjunkturpakets von 516 Milliarden US-Dollar für ökologisch sinnvolle Projekte ausgeben, Seoul sogar 80 Prozent. China wird das meiste in den Schienenverkehr, Energieeffizienz und in Fahrzeuge mit geringem CO2-Ausstoß stecken. Das vergleichsweise kleine Südkorea wird die gleiche Summe für öffentliche Verkehrsmittel ausgeben wie die Vereinigten Staaten, die fast einen ganzen Kontinent ausmachen.

Die Europäische Union, die stets den Umweltschutz predigt, vergibt ihre Fördergelder  ohne Risiko so, dass sie „grün" erscheinen und zugleich der mächtigen Auto-Industrie nutzen. Der Großteil wird in Abwrackprämien fließen. Das führt aber dazu, dass mehr Autos gebaut werden und mehr Material und Energie verbraucht wird - gute Nachrichten für die Wirtschaft, schlechte für die Umwelt. Es gibt außerdem bislang keinen Beweis dafür, dass neue Autos mit geringerem Verbrauch die Energiebilanz insgesamt verbessern. Studien zeigen vielmehr, dass der absolute CO2-Ausstoß zunimmt, obwohl die Fahrzeuge weniger Sprit verbrauchen: Die Leute kaufen mehr und fahren mehr. Diese veralteten Formen der Konjunkturhilfe sind deshalb zum Scheitern verurteilt.

Der zweite große Posten ist die Energie. Die USA werden in die Erneuerung ihrer Versorgungsnetze investieren und die Energieeffizienz verbessern. Die Europäische Union, wo nicht ganz so verschwenderisch mit Energie umgegangen wird, hat andere Pläne. Sie will ihr Geld vor allem in eine Technologie stecken, die noch erforscht wird: das Abfangen und Einlagern von Kohlendioxid aus Kraftwerken (Carbon Capture and Storage, CCS). Da aber nicht sicher ist, ob die Methode funktioniert, kann schon mal der Nachruf geschrieben werden.

Am meisten beunruhigt, dass nur wenig in erneuerbare Energien investiert wird. Die USA stellen gerade einmal sechs Milliarden Dollar für Kreditbürgschaften und Steuergutschriften für Wind-, Solar- und Geothermie-Anlagen sowie für den Bau neuer Leitungen zwischen den Windanlagen bereit. Soviel zu den sogenannten Schlüsselindustrien von morgen, die überall auf der Welt Millionen umweltfreundliche Jobs schaffen sollten. Ja, der sinkende Ölpreis verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit alternativer Energien. Aber gilt die Botschaft „Das ist die Zukunft!" jetzt nicht mehr?

Eine grüne Zukunft kann man sich also getrost abschminken. Wir werden die alten schmutzigen Volkswirtschaften wieder aufbauen. Wir werden konsumieren, um glücklich zu sein. Und wir werden glücklich sein. Der Klimaschutz kann warten.

Sunita Narain ist Direktorin des Zentrums für Wissenschaft und Umwelt in Neu-Delhi und Herausgeberin der indischen Zeitschrift „Down to Earth".

 

 

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