Ein bisschen ethisch investieren

Aktivistinnen der Klima-Allianz-Schweiz protestieren mit einem Bild von Martin Schlegel, Präsident des SNB Direktoriums, gegen die Klimapolitik der Nationalbank, am Rand der Generalversammlung der Nationalbank, am Freitag, 25. April 2025 in Bern.
picture alliance/KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE
Aktivistinnen der Klima-Allianz-Schweiz protestieren mit einem Bild von Martin Schlegel, Präsident des SNB Direktoriums, gegen die Klimapolitik der Nationalbank, am Rand der Generalversammlung der Nationalbank, am Freitag, 25. April 2025 in Bern.
Schweizer Zentralbank
Die Schweizerische Nationalbank hat ihre gesamten Anteile an dem Ölproduzenten Chevron verkauft. Doch das ist kein echter Kurswechsel: Zweifelhafte Firmen bleiben im Portfolio.

Bis vor kurzem hielt die Schweizerische Nationalbank (SNB), die Zentralbank des Landes, laut einem Bericht von 2021 noch Aktien im Wert von 711,9 Millionen US-Dollar an dem US-Energiekonzern Chevron, dem drittgrößten Fracking-Unternehmen weltweit. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat die SNB die gesamten Anteile verkauft. Bekannt gemacht hat das die „Neue Zürcher Zeitung“, die sich auf Daten der amerikanischen Börsenaufsicht stützt. Der Verkauf ist nicht die erste diskrete De-Investition der SNB: Laut dem Schweizer Recherchekollektiv WAV verkaufte sie Mitte 2023 ihren Anteil am britischen Ölkonzern Shell mit einem Wert von rund 800 Millionen Franken (umgerechnet knapp 851 Mio. Euro).

Für die zivilgesellschaftliche Koalition „Unsere-SNB“, die sich seit Jahren für eine klimagerechte Anlagestrategie der Nationalbank einsetzt, sind diese Ausstiege ein Teilerfolg. „Die SNB hat gezeigt, dass sie klimaschädliche Unternehmen ausschließen kann – und dass sie es längst hätte tun müssen“, so Asti Roesle, Koordinatorin der Koalition. Bereits vor zwei Jahren hatte die Koalition in mehreren Fallstudien dokumentiert, wie die Ölkonzerne Chevron, TotalEnergies oder ExxonMobil gegen die ethischen Anlagerichtlinien der SNB verstoßen würden. Diese schreiben vor, dass Unternehmen ausgeschlossen werden, die „grundlegende Menschenrechte schwer verletzen oder systematisch schwere Umweltschäden verursachen“ sowie „systematisch Gewässer oder Landschaften vergiften oder die Biodiversität im Rahmen ihrer Produktion massiv schädigen“.

Sind nicht alle fossilen Investments schmutzig?  

Warum nun die SNB Chevron und Shell aus dem Portfolio nimmt, aber weiterhin in ExxonMobil oder TotalEnergies investiert, bleibt unklar. „Wir vermuten, dass es mit konkreten Urteilen im Bereich Umweltverschmutzung zu tun hat“, sagt Asti Roesle auf Anfrage. Die beiden Firmen sind bekannt für weitreichende Ölverschmutzungen: Shell im Niger-Delta, Chevron im ecuadorianischen Amazonasgebiet. Roesle nennt die Strategie der SNB dennoch „unverständlich und inkonsequent“. Schließlich wurde auch der Konzern ExxonMobil bereits in Kalifornien angeklagt, mit Falschinformationen über Recyclingfähigkeit gezielt Märkte für Plastik aus fossilen Rohstoffen geschaffen zu haben.

Die SNB selbst äußert sich auf Presseanfragen nur allgemein: Sie investiere nicht in Firmen, deren Produkte oder Produktionsprozesse „in grober Weise gegen gesellschaftlich breit anerkannte Werte“ verstoßen. Dazu zählen seit 2013 Hersteller geächteter Waffen, beispielsweise biologische und chemische Waffen, Streumunition sowie Personenminen. Seit 2020 gehören auch Unternehmen mit Schwerpunkt auf Kohleabbau dazu. In ihrem Nachhaltigkeitsbericht schreibt die SNB, dass sie ihre Anlagen regelmäßig überprüfen lasse. Sie orientiere sich dabei an den Beurteilungen externer Dienstleister.

Auch  Waffenfirmen bleiben im Portfolio

Viele Investitionen bleiben allerdings fragwürdig. So haben Recherchen des Westschweizer Radios und Fernsehens RTS ergeben, dass die SNB stark vom Krieg in Gaza profitiert hat. Demnach machte die Nationalbank mit Aktien der israelischen Rüstungsfirma Elbit Systems LTD im Frühjahr 2023 einen Gewinn von geschätzt einer Million Franken. Auf die Frage der „Woz“ nach den damit verbundenen ethischen Problemen antwortete die SNB, sie sehe davon ab, Wertpapiere von Unternehmen zu kaufen, die massiv gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen. Wurde diese Grenze in Gaza nicht überschritten? Andrew Feinstein, Autor des Buches „Waffenhandel: Das globale Geschäft mit dem Tod“, bezeichnete Elbit in der Wochenzeitung „Woz“ immerhin als die „wahrscheinlich tödlichste Waffenfirma unseres Planeten“. Die SNB gibt darauf keine Antwort.

Die SNB steht immer wieder im Visier von Menschenrechts- und Umweltschützern. In einer Studie der Klima-Allianz Schweiz, eines Bündnisses von mehr als 150 Organisationen der Zivilgesellschaft, wurde sie bereits im Jahr 2020 für ihre umfangreichen Anlagen in der fossilen Brennstoffindustrie gerügt. Die SNB sah damals nach eigenen Angaben jedoch keinen Grund zum Handeln. Ähnlich sieht es in der Politik aus: Erst vor einem Jahr hat der Nationalrat fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen aus den Reihen verschiedener Parteien abgelehnt. Sie alle verlangten, dass die SNB neue Regeln zu Klima- und Umweltrisiken einhalten muss. 

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