Was ändern die WHO-Richtlinien zur Luftqualität?

Kurz erklärt
Luftverschmutzung macht nicht an Ländergrenzen Halt. Was das für die Politik bedeuten muss, erklärt Barbara Hoffmann.

Barbara Hoffmann leitet die Arbeits­gruppe Umweltepidemiologie am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umwelt­medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ihre globalen Luftgüteleitlinien verschärft. Sie stützt sich dabei erstmals auf Studien aus dem globalen Süden. Welche Erkenntnisse sind dadurch dazugekommen?
Weltweit gesehen ist Luftverschmutzung – zusammen mit Bluthochdruck, Rauchen und schlechter Ernährung – der wichtigste Risikofaktor für einen frühen Tod. Aber die Art der Luftverschmutzung ist regional unterschiedlich. Im industrialisierten Norden verschmutzen vor allem Energieerzeugung, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und Hausheizungen die Luft. In den Megacitys des globalen Südens spielt der Verkehr eine große Rolle, aber je nach Situation auch Industrie und Energieerzeugung. In trockenen Regionen erhöhen Aufwirbelungen von feinstem Sand den Feinstaubgehalt der Luft beträchtlich. Erhitzung und Dürren führen zu Waldbränden, die die Luftverschmutzung extrem erhöhen. Auf dem Land wiederum wird in einigen Regionen noch viel auf offenem Feuer in den Häusern gekocht. Den schädlichen Rauch atmen dann vor allem Frauen und Kinder ein. 

Die WHO hat ihre empfohlenen Grenzwerte für gesundheitsschädliche Luftverschmutzung deutlich gesenkt. Warum?
Im Vergleich zum Jahr 2005, als die WHO die bisherigen Empfehlungen abgegeben hatte, liegen jetzt viele große Studien aus vergleichsweise „sauberen“ Regionen vor, etwa aus Skandinavien und Kanada. Sie zeigen: Auch eine vergleichsweise geringe Luft­verschmutzung wie dort befördert Asthma, Lungen- und Herzerkrankungen und erhöht die Sterblichkeit.

Die Leitlinien sollen dazu beitragen, dass alle Länder die empfohlenen Richtwerte für die Luftqualität erreichen. Wie realistisch ist das?
Luftverschmutzung lässt sich – ebenso wie der Klimawandel – nur länderübergreifend per Gesetzgebung bekämpfen, die EU ist dafür ein gutes Beispiel. Nächstes Jahr wird die EU-Kommission die Gesetzgebung zur Luftqualität überarbeiten, und die neuen gesetzlichen Vorgaben müssen dann in die jeweiligen nationalen Gesetze übernommen werden. Hier ist zu hoffen, dass die neue Gesetzgebung eine deutliche und kontinuierliche Absenkung der mittleren Belastung gegenüber Luftverschmutzung verbindlich vorgibt. Viele Länder haben dagegen noch gar keine oder nur eine sehr laxe Gesetzgebung zur Luftqualität. Auch hier sind verbindliche länderübergreifende Standards sinnvoll, denn die Luftverschmutzung macht ja nicht an der Grenze halt. Für die Länder, die noch relativ weit weg von den Richtwerten liegen, hat die WHO verschiedene Zwischenziele formuliert. Sie liefert dazu Argumente und Empfehlungen. Zu mehr ist sie aber nicht befugt. 

Was können Länder im globalen Süden gegen Luftverschmutzung tun?
Wichtig sind vor allem klare Emissionsobergrenzen in Industrie, Energieerzeugung, Verkehr, Landwirtschaft und Hausbrand. Hilfreich sind auch gezielte Programme zur Nutzung emissionsarmer Öfen. Ansonsten können Klimaschutzmaßnahmen in allen Teilen der Welt dazu beitragen, dass die Aufwirbelung von feinstem Sand und Waldbrände nicht weiter zunehmen. 

Das Gespräch führte Barbara Erbe.

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