Die Not der Vertriebenen im Ostkongo wird immer größer

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Entschädigung nach Kongo-Kriegen
Im Osten des Kongo verschärft sich der Krieg zwischen Armee und Milizen, Millionen Menschen sind auf der Flucht. Das Foto zeigt die Behausungen, die sich die Geflüchteten bauen.
DR Kongo
Im Osten des Kongo verschärft sich der Krieg zwischen Armee und Milizen, Millionen Menschen sind auf der Flucht. Der Hunger ist allgegenwärtig, auch bei Bauma Kubwira. Der Fischer ist froh, wenn er für seine zehn Kinder einen Kanister Wasser erhält.

Goma - „Als wir die Rebellen gesehen haben, sind wir um unser Leben gerannt“, erzählt Bauma Kubwira. Der 30-jährige Fischer ist mit seiner Frau und zehn Kindern vor dem Krieg zwischen der kongolesischen Armee und der Miliz M23 geflüchtet. 25 Kilometer sind sie zu Fuß von ihrem Dorf bis zur Provinzhauptstadt Goma gelaufen. „Wir konnten nichts mitnehmen und sind total erschöpft.“

Die M23-Rebellen halten einen Teil der Provinz Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo besetzt. Der Krieg dauert seit zwei Jahren an und ist der vorläufige Höhepunkt in einem Konflikt, der vor 30 Jahren begann. Damals fand im Nachbarland Ruanda ein Völkermord statt. Angehörige der Hutu-Ethnie töteten ihre Landsleute der Tutsi-Ethnie. Der heutige Präsident Ruandas, Paul Kagame, besiegte das Hutu-Regime und besetzte die Machtposten im Land mit Tutsi.

Aus Furcht vor Rache flohen viele Hutus in den Kongo, darunter auch Täter des Genozids. Die Milizionäre der M23 sind größtenteils Tutsi und geben vor, ihre Ethnie im Ostkongo schützen zu wollen. Sie führen unter wechselnden Namen immer wieder Krieg und werden dabei nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen von Ruanda unterstützt.

Schlafen unter Zementsäcken

„Wir haben uns aus Ästen und alten Zementsäcken eine Behausung gebaut“, erzählt Kubwira. Der Fischer und seine Familie schlafen auf dem Boden aus scharfkantigen Lavasteinen. Für die Kinder hat er Blätter als Ersatz für eine Matratze gesammelt, damit es weniger weh tut.

Hilfsorganisationen und die Regierung schaffen es nicht, die vielen Geflüchteten in den spontan errichteten Lagern zu unterstützen. 2,5 Millionen Menschen mussten nach Angaben der Vereinten Nationen wegen des Kriegs gegen die M23 und gegen Dutzende andere Milizen ihr Zuhause verlassen. Das ist fast ein Drittel der Bevölkerung in der Provinz Nord-Kivu. Bruno Lemarquis, UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten, bezeichnete die Situation im Februar als „wirklich dramatisch“. Die internationale Staatengemeinschaft müsse dringend Hilfe leisten.

Der Kongo hat Reserven an Bodenschätzen im Wert von 24 Billionen US-Dollar. Darunter sind Rohstoffe wie Kobalt und Lithium, die die Industriestaaten für die Energiewende brauchen. Zudem ist im Kongo-Becken der weltweit zweitgrößte Regenwald nach dem Amazonas, den die Staatengemeinschaft im Kampf gegen den Klimawandel erhalten möchte.

Katholisches Zentrum bietet Flüchtlingen eine Ausbildung an

„Im Lager gibt es kein Wasser, keine Latrine, kein Essen“, klagt Kubwira. Er fürchtet, dass seine Kinder Cholera bekommen. „Erst vor ein paar Tagen ist wieder jemand daran gestorben.“ Immerhin kann der Familienvater einen 20-Liter-Kanister mit sauberem Trinkwasser beim Centre Focolari Père Quintard abfüllen.

Das katholische Zentrum wird von einigen Erzdiözesen in Deutschland mitfinanziert und bietet Geflüchteten eine Berufsausbildung an. Rund um die Bildungsstätte kommen jeden Tag mehr Menschen an, die vor den Kämpfen fliehen. „Wir haben für 500 Dollar Wasser gekauft. Das verteilen wir an die Geflüchteten“, sagt Angèle Bahati, die Direktorin des Zentrums.

Esther Ciza baut im Centre Focolari mit anderen Geflüchteten Kohl an, den sie zum Teil selbst essen und den Rest verkaufen. Sie ist 72 Jahre alt. Weil im Ostkongo ständig Krieg ist, musste sie schon viele Male flüchten. Vor ein paar Jahren wurde sie von fünf Männern vergewaltigt. Sie habe nicht erkannt, ob die Täter Rebellen oder Soldaten der Armee waren. Seither hat sie Schmerzen im Unterleib und im Rücken. „Ich bin zu schwach, ich kann nicht mehr ständig flüchten“, sagt sie.

Nach Angaben der Provinzregierung wurden im vergangenen Jahr jeden Tag 68 Frauen in Nord-Kivu vergewaltigt. Passy Mubalama, Sprecherin der Frauenbewegung Tujiteteye, fordert einen humanitären Korridor. „Frauen und Kinder müssen auf der Flucht besonders geschützt werden.“

Doch auch die Bevölkerung in der Millionenstadt Goma leidet. Manchmal schlagen Geschosse am Stadtrand ein. Mehr als 50 Zivilistinnen und Zivilisten sind in den vergangenen Wochen rund um die Hauptstadt getötet worden. Die Lebensmittelpreise haben sich verdreifacht, weil die M23 die Zufahrtswege kontrolliert und Wegezoll erpresst. Chantal Salumu, Mutter von drei Söhnen, klagt, dass sie sich kaum noch etwas zu essen leisten kann. „Ich gebe den Jungs vor der Schule heißes Wasser mit einer Prise Zucker, damit sie wenigstens ein paar Kalorien haben.“

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