Mit Steuergeldern finanzierte Ausbeutung verhindern

80-Stun­den-Wochen, Zwangsarbeit, Kinderarbeit: Weltweit arbeiten Millionen unter unmenschlichen Bedingungen. In der Schweiz fordern Hilfswerke und Gewerkschaften, dass öffentliche Verwaltungen keine Güter einkaufen, die unter solchen Bedingungen produziert werden. Der Entwurf für ein revidiertes Gesetz über das Beschaffungswesen, den die Regierung im Sommer vorgelegt hat, geht ihnen nicht weit genug.

In vielen indischen Steinbrüchen herrscht ein ohrenbetäubender Lärm, und die Luft ist zum Schneiden. Viele der Menschen, die dort arbeiten, leiden an Silikose (Staublunge), ihre Lebenserwartung beträgt weniger als 40 Jahre. Auch Kinder arbeiten in den Steinbrüchen. Sie werden von den verarmten Eltern an die Steinbruchbesitzer verkauft und wohnen unter Plastikplanen.

Um auf dieses Elend aufmerksam zu machen, hat das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) jüngst auf dem Bundesplatz in Bern Steine aufgetürmt. Seine Botschaft: Die Schweiz trägt eine Mitverantwortung, denn auch in der Schweiz werden Bodenplatten und Randsteine verwendet, die unter menschenverachtenden Bedingungen abgebaut wurden. „Wir gehören zu den Gewinnern der Globalisierung“, sagt SAH-Geschäftsleiterin Ruth Daellenbach. „Das verpflichtet.“ Zwar stammen von den 130.000 Tonnen Straßenbausteinen, die jährlich in die Schweiz importiert werden, offiziell nur zehn Prozent aus Asien. Laut dem Arbeiterhilfswerk sind es in Wahrheit aber zwei- bis dreimal soviel. Denn ein großer Teil der Steine werde aus Deutschland importiert, und Deutschland führe mehr als die Hälfte seiner Natursteine aus China ein, wo auch indische Steine bearbeitet würden.

Öffentliche Verwaltungen können dagegen etwas tun. Beim Kauf von Steinen aus dem asiatischen Raum sollten sie das Xertifix-Zertifikat verlangen, das eine saubere Produktion belegt, empfiehlt das Arbeiterhilfswerk. Und öffentliche Spitäler sollen mittels unabhängiger Textil-Zertifikate sicherstellen, dass ihre OP-Kittel nicht aus chinesischen Fabriken stammen, die ihre Angestellten ausbeuten. Bund, Kantone und Gemeinden seien wichtige Marktteilnehmer, gibt das Arbeiterhilfswerk zu bedenken. Sie beschafften jährlich für 36 Milliarden Franken Waren, Dienstleistungen und Gebäude.

Die Gewerkschaften und Hilfswerke setzen aber nicht nur auf freiwillige Maßnahmen. In den Gemeinden sammelt das Arbeiterhilfswerk Unterschriften für eine Petition, die strengere gesetzliche Bestimmungen verlangt. Auf Bundesebene wird derzeit das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen revidiert. Der Bundesrat will in erster Linie die Vorgaben auf Bundes- und Kantonsebene vereinheitlichen. Geplant sind aber auch strengere Bestimmungen mit Blick auf die Herkunft der Produkte.

Die Verwaltungen von Bund und Kantonen sollen nur noch Produkte einkaufen dürfen, die unter Einhaltung der Kernarbeitskonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) produziert worden sind. Diese Konventionen verbieten Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Diskriminierung. Darüber hinaus garantieren sie das Recht der Arbeitnehmenden, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Die Hilfswerke und Gewerkschaften begrüßen den Verweis auf die ILO-Konventionen. Der Gesetzesentwurf, den der Bundesrat im Sommer vorgelegt hat, geht ihnen aber nicht weit genug. Die Frage, wie die Einhaltung der Konventionen zu überprüfen sei, bleibe offen, kritisieren sie. Die Hilfswerke bemängeln weiter, dass der Gesetzesentwurf offen lässt, wie soziale Kriterien in eine öffentliche Ausschreibung zu integrieren sind. Nach Ansicht der Hilfswerke bräuchte es eine klare Regelung, damit zum Beispiel Kantinen trotz höherer Preise Kaffee oder Orangensaft aus fairem Handel einkaufen können.

Die Hilfswerke fordern, dass das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen mit der Strategie des Bundesrates für eine nachhaltige Entwicklung in Einklang gebracht wird. Gemäss der im Frühjahr veröffentlichten Strategie soll der Bund eine Vorbildfunktion einnehmen und Produkte einkaufen, die „wirtschaftlich, umweltschonend und sozial verantwortungsvoll“ produziert worden sind. Ob die Kritik der Hilfswerke etwas bewirkt hat, wird sich zeigen, wenn der Bundesrat die Vorlage dem Parlament vorlegt.

Charlotte Walser, InfoSüd

erschienen in Ausgabe 12 / 2008: Wirkung der Entwicklungshilfe
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