Nach der Corona-Pandemie berichteten viele humanitäre Organisationen und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), dass vor allem Mädchen aufgrund von Schulschließungen Risiken ausgesetzt waren. Stark beachtet haben internationale Entwicklungsorganisationen und Medien hier die Sorge um mögliche Schwangerschaften junger Mädchen. Tatsächlich stieg beispielsweise in Malawi, als die Schulen pandemiebedingt sieben Monate geschlossen waren, der Anteil der Schwangerschaften von Mädchen und jungen Frauen zwischen 10 und 19 Jahren von 29 auf 35 Prozent aller Schwangerschaften.
Eine Studie der US-amerikanischen Bildungsforscherinnen Rachel Silver und Alyssa Morley prangert nun an, dass sich die Berichterstattung auf eine sexualisierte Darstellung der Risiken konzentrierte, anstatt auf die vielfältigen Hindernisse einzugehen, die junge Mädchen seit langem, bereits vor der Pandemie, vom Schulbesuch abhalten. Zusammen mit der malawischen Bildungsaktivistin Stella Makhuva haben die Wissenschaftlerinnen untersucht, wie Mädchen im Süden Malawis ihre Erfahrungen während der COVID-19-Jahre selbst schildern und was ihre Schulbildung gefährdete. Interviews und Berichte von 22 Mädchen der oberen Grundschul- und Sekundarstufe zeigen demnach, dass die pandemiebedingten Schulschließungen für sie nur ein weiterer Stolperstein auf ihrem mit vielen Hindernissen gesäumten Weg zu einem Schulabschluss darstellten.
Hauptgrund Geldmangel
Wie die Autorinnen betonen, hat selbst die Mädchen, die in der besagten Zeit schwanger wurden, nicht die Schwangerschaft selbst vom Schulbesuch abgehalten, sondern zunehmender Geldmangel. So berichtete eine frühere Schülerin, dass ihre Eltern, beide Subsistenzbauern, ihr und ihren Geschwistern den Schulbesuch nur unter enormen Schwierigkeiten finanzieren konnten. Während der Schulschließungen habe sie mit Freunden gelernt, um den Anschluss nicht zu verlieren, wenn sie nicht gerade ihren Eltern auf dem Bauernhof geholfen habe. Nach Wiedereröffnung der Schule mussten die Schüler pro Schulhalbjahr 800 Malawi-Kwacha (damals knapp ein US-Dollar) in einen Schulfonds für Infrastrukturprojekte und Instandhaltung einzahlen. Wer das nicht konnte, wurde vom Unterricht ausgeschlossen, obwohl die Grundschule offiziell kostenlos sei.
Als sie schließlich die Grundschule abgeschlossen hatte und sich an einer weiterführenden Schule einschrieb, stiegen die Schulkosten auf 20.000 Kwacha, etwa 19 US-Dollar Ende 2022. Darüber hinaus musste die Familie weitere Kosten tragen, von Prüfungsgebühren und Fahrradmieten bis hin zu Nachhilfestunden für Stoff, der in der Schule nicht behandelt wurde. Sie und ihre Familie hätten oft auf ausreichende Mahlzeiten verzichtet, um das aufzubringen. Dennoch wurde sie wiederholt aus der Schule verwiesen, bis ihre Schulgebühren beglichen waren – ebenso wie viele andere Mädchen.
Weitere wichtige Faktoren erschwerten den Mädchen den Schulbesuch: steigende Temperaturen und neue Niederschlagsmuster, die den Familien weniger Ernten und damit weniger Nahrung und Einkommen bescherten. Zudem schwankten die staatlichen Agrarhilfen für Kleinbauern und die Schulgebühren stiegen – nicht zuletzt infolge der Privatisierung der öffentlichen Bildung. Viele Mädchen gaben zudem zu Protokoll, ihre Schulbildung soweit möglich durch Teilzeitunterricht und Ferienkurse zu ergänzen, weil sie wüssten, dass sie in unterfinanzierten Schulen mit niedrigen Prüfungserfolgsquoten unterrichtet wurden. Die Autorinnen betonen zudem, das Engagement der Lehrer leide seit langem unter der hohen Krankheitslast in der Region, insbesondere wegen HIV/Aids.
Der wirksamste Weg, die Bildungschancen von Mädchen zu verbessern, liegt in der Bekämpfung von Armut und Ungleichheit, so die Studie. Die seien das Problem, nicht Schwangerschaften von Mädchen.
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