Aus Frust auf den Barrikaden

epd-bild/Bettina Ruehl
UN-Mission in Mali (Archivbild)
In Mali ist die Stimmung vor der Präsidentenwahl gedrückt
Die Enttäuschung über einen Staat, der weder Sicherheit noch Wohlstand schafft, ist in Mali mit Händen zu greifen. Im Zentrum des Landes eskaliert die Gewalt - trotz internationaler Truppen. Ob überall im Land gewählt werden kann, ist nicht sicher.

Bamako (epd). Mit erhobenen Händen sind sie durch die malische Hauptstadt Bamako marschiert. Hunderte Männer und Frauen protestierten am letzten Samstag im Juni mit einem Schweigemarsch gegen die eskalierende Gewalt, die sie im Zentrum Malis erleben. Mehrfach haben sie schon demonstriert, die Sicherheitslage wird in ganz Mali schlechter - trotz Tausender ausländischer Soldaten. Der Protest richtet sich auch dagegen, dass die Regierung Morde und Anschläge nicht aufklärt, die Täter nicht zur Rechenschaft zieht.

Die schlechte Sicherheitslage ist vor der Präsidentenwahl am 29. Juli ein wichtiges Thema. 23 Kandidaten und eine Kandidatin stehen zur Wahl. Klarer Favorit ist der amtierende Präsident Ibrahim Boubacar Keita, der für eine zweite und letzte Amtszeit antritt. IBK, wie der 73-jährige Staatschef kurz genannt wird, hat denn auch Frieden und Sicherheit zu seinem Thema gemacht, als wäre er als Präsident nicht zumindest mitverantwortlich für die deprimierende Lage.

Terroranschläge und kriminelle Überfälle sind an der Tagesordnung, Übergriffe der malischen Sicherheitskräfte gegen die Bevölkerung und ethnische Konflikte kommen dazu. Vor allem in der Region Mopti im Zentrum des Landes. "Dort herrscht nicht mehr das Gesetz, sondern das Recht des Stärkeren", sagte eine der demonstrierenden Frauen in Bamako dem französischen Sender RFI. "Es gibt keine Gerechtigkeit mehr."

Schwere politische Krise

Die Enttäuschung über einen Staat, der weder Frieden noch Wohlstand schafft und nicht für Gerechtigkeit sorgt, ist weit verbreitet. Heute scheint kaum noch vorstellbar, welche Hoffnungen den Amtsantritt Keitas vor fünf Jahren begleiteten. Schon damals befand sich Mali in einer schweren politischen Krise, und eine Mehrheit der Bevölkerung traute IBK zu, Stabilität zu bringen. Aber dieses Vertrauen und dieser Optimismus sind zerstört.

Begonnen hatte alles im März 2012 mit dem Putsch von Militäreinheiten gegen die Regierung. Eine Tuareg-Miliz namens MNLA nutzte das Machtvakuum und erklärte den Norden des Landes für unabhängig. Die nicht religiös orientierte Miliz wurde wenig später von islamistischen Gruppen überrollt, die den Norden in kurzer Zeit eroberten. Das französische Militär stoppte schließlich den Vormarsch der Islamisten, die teils zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehören.

Mit der Wahl Keitas schien die Rückkehr zu Stabilität und Frieden 2013 greifbar nah. Erst recht nach dem Friedensabkommen von 2015. Aber seitdem "findet der Frieden nur auf dem Papier statt", sagt Philipp Goldberg von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. Die Krise hat sich seit IBKs Wahl vor fünf Jahren eher noch verschärft. Denn auch die Kluft zwischen der politischen Elite und der Bevölkerung scheint noch tiefer - keine gute Grundlage für eine Demokratie.

"Es ist der Regierung nicht gelungen, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen", beobachtet Goldberg. Nach der jüngsten Umfrage der Stiftung sieht die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler ihre Zukunft pessimistisch. Steigende Lebensmittelpreise, hohe Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Stagnation führen zu Politikverdrossenheit. Mali mit seinen 18 Millionene Einwohnern gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Durchschnitt muss ein Malier mit zwei US-Dollar pro Tag auskommen.

"Die Islamisten töten mich"

Im Zentrum des Landes schwelt ein ethnischer Konflikt: Vor allem Angehörige des Hirtenvolks Peul fühlen sich vom Staat verfolgt. "Wenn du Peul sprichst oder wie ein Peul aussiehst, bist du auf jeden Fall ein Ziel", sagte Hamadoun Dicko von der Peul-Vereinigung "Tabital Pulakuu" während der Demonstration in Bamako. Er habe Angst, in seine Heimat Mopti zurückzukehren: "Die Islamisten töten mich, weil sie sagen: Der war in Bamako, der kooperiert mit der Regierung. Und die Militärs töten mich, weil sie jeden Peul für einen Terroristen halten."

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in der Region Mopti bis Ende Juni 43 Zivilisten getötet und 24 schwer verletzt. Übergriffe des Militärs gegen Peul und andere Zivilisten sowie das willkürliche Erheben von Abgaben treiben die Menschen auf die Barrikaden. Die Konflikte treffen Mali hart, denn die Zentralregion ist wirtschaftlich von großer Bedeutung.

Im Fokus der internationalen Gemeinschaft steht trotzdem vor allem der Norden, wo die internationalen Truppen stationiert sind. Auch da nimmt die Unsicherheit zu, besonders vor der Wahl. Trotz der angespannten Lage tue die Regierung "derzeit was sie kann", sagt Goldberg, damit die Wahl landesweit stattfinden könne. So sollen die Wahllokale in der Nähe von Militärstützpunkten eingerichtet werden. Aber in einigen dünn besiedelten Regionen sind die Wege zu den Urnen sehr weit - womöglich zu weit für viele Wählerinnen und Wähler.

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