Die größte demokratische Wahl der Welt

epd-bild/Friedrich Stark
Howrah-Brücke in Kalkutta, Indien (Archivbild)
In einer Wahl der Superlative kämpft der Hindunationalist Modi für eine zweite Amtszeit als indischer Premier. Das Wahlsystem und eine als unberechenbar geltende Wählerschaft erschweren Voraussagen. So setzt Modi auch auf Filmkunst und Magie.

Dubai, Neu-Delhi (epd). Ganz in Weiß strahlt der Ministerpräsident vom Plakat herab. Hinter ihm im Bild leuchtet ein azurblauer Himmel mit Schäfchenwolken und glücklichen Kindern. Doch dies ist keine Wahlposter für den indischen Regierungschef Narendra Modi, sondern ein Filmplakat. Pünktlich zur wochenlangen Parlamentswahl, die am Donnerstag beginnt, läuft in den indischen Kinos "PM Narendra Modi" an, ein verherrlichender Streifen über das Leben des 68-jährigen Politikers. Modi wird dabei von Bollywood-Schauspieler Vivek Oberoi gespielt, der deutlich jünger und attraktiver aussieht als der Regierungschef. "Ich glaube an Modi", sagt der 42-jährige Schauspieler. Der Film sei "ganz und gar unpolitisch".

Der Personenkult um den Ministerpräsidenten ist ein Indiz dafür, wie stark sich Indien unter Modi verändert hat. Die Wahl ist ein Test für den Politiker und seine hindunationalistische Bharatiya Janata Partei (BJP), die das Land seit 2014 regieren. Die BJP hatte 2014 einen Kanthersieg gegen die Kongress-Partei eingefahren, die Indien die meisten Zeit seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1947 regierte. Modi versprach Jobs, Wirtschaftswachstum, Wohlstand, das Ende der Korruption und Chancen für alle. Fünf Jahre später hat er kaum etwas davon umgesetzt. Vor kurzem kam eine von der Regierung geheimgehaltene Statistik an die Öffentlichkeit, wonach unter Modi die Arbeitslosigkeit in Indien ihren höchsten Stand seit 45 Jahren erreicht hat.

Modis mächtige Cyber-Armee

Dennoch erfreut sich der Regierungschef großer Beliebtheit. Nicht zuletzt, weil die Medien kaum negativ über ihn berichten. Gleichzeitig sorgt Modis mächtige Cyber-Armee von Anhängern im Internet dafür, dass sein Image als Macher und Saubermann bewahrt bleibt. Modi, der mit seinem angeblichen Brustumfang von 142 Zentimetern prahlte, festigte sein Ruf als starker Mann, als er im März die indische Armee gegen den Erzfeind Pakistan einsetzte. Die beiden Nachbarländer standen kurz vor einem Krieg. Pakistan hat vor einigen Tagen erklärt, es befürchte, dass Indien in den kommenden Tagen erneut Luftangriffe gegen pakistanische Ziele fliegen werde - während der Wahl.

Auch bei dieser Abstimmung dürfte der Schlüssel zum Erfolg bei den jungen Wählern liegen. Zwei Drittel aller Inder sind jünger als 35 Jahre. Etwa 430 Millionen Inder haben ein Smartphone, eine halbe Milliarde Inder nutzen das Internet, 300 Millionen sind auf Facebook, 200 Millionen benutzen den Nachrichtendienst WhatsApp und 30 Millionen sind auf Twitter. Entsprechend groß ist die Rolle der sozialen Medien im Wahlkampf.

Wählerschaft gilt als unberechenbar

Modi ist ein Virtuose im Umgang mit den neuen Medien. Schon 2014 erkannte er deren Stellenwert und nutzte den ungefilterten Zugang zur Wählerschaft und zu seinen Anhängern, um sein Image als starker Mann und Diener der Nation zu propagieren. Auch diesmal hat Modi geschickt agiert. Auf Twitter gab er sich den Beinamen "Chowkidar", zu deutsch: Wächter. Diese Metapher erklärt sich vor dem Hintergrund der jüngsten Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan.

Der Urnengang ist die größte demokratische Wahl der Welt. Etwa 900 Millionen Menschen sind aufgerufen, eine neue Regierung zu bestimmen. Es gibt 84,3 Millionen Wähler mehr als bei der letzten Abstimmung 2014. Um die 80 Millionen sind Erstwähler. Auch sonst ist es eine Wahl der Superlative: Es gibt eine Million Wahllokale und zehn Millionen Wahlhelfer. Auf die 543 direkt bestimmten Sitze im Unterhaus in Neu-Delhi bewerben sich mehr als 8.000 Kandidaten.

Wegen der Größe des Landes und der schier unglaublichen Zahlen wählt Indien in sieben verschiedenen Etappen vom 11. April bis zum 19. Mai. Am 23. Mai werden die Stimmen ausgezählt und wenig später wird das Resultat bekanntgegeben. Indien verfährt nach dem britischen Wahlsystem, in dem der Sieger alles bekommt: Ein Kandidat muss erst seinen Wahlkreis gewinnen, um einen Sitz in der Volksvertretung zu ergattern. Wird er im Rennen um den Sitz nur zweiter, geht er komplett leer aus. Dies macht den Ausgang der Abstimmung schwer kalkulierbar. Die indische Wählerschaft gilt zudem als unberechenbar. Nicht von ungefähr hat die BJP im Bundesstaat Gujarat auch 52 Zauberer in ihr Wahlkampfteam aufgenommen.

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