Indonesien: Wahlen in Zeiten von Hass und Hetze

In Indonesien wachsen religiöse Gewalt und Fundamentalismus - befördert von Staat und Regierung. Das prägt auch die Präsidenten- und Parlamentswahlen im größten muslimischen Land der Welt.

Frankfurt a.M., Jakarta (epd). Zwei alte Kontrahenten dominieren das Rennen um die Präsidentschaft in Indonesien: Joko Widodo und Prabowo Subianto. Präsident Widodo, bei seinen Landsleuten besser bekannt als Jokowi, will sein Amt bei den Wahlen am Mittwoch verteidigen. Glaubt man den Umfragen, hat der 57-Jährige gute Chancen, wie vor fünf Jahren seinen Herausforderer, Ex-General Prabowo, zu besiegen.

Beide versprechen, das muslimisch dominierte Land mit 265 Millionen Einwohnern weiter voranzubringen, mit mehr Jobs und Investitionen. Trotz wirtschaftlichen Wachstums leben laut indonesischer Statistikbehörde immer noch fast 26 Millionen Menschen in Armut.  

Joko Widodo galt bei den Wahlen 2014 als Hoffnungsträger

Ein weiteres Thema ist die Menschenrechtslage, die von vielen als zunehmend beunruhigend eingeschätzt wird. Dabei ist Prabowo Experten besonders ein Dorn im Auge. Der einstige Schwiegersohn des 1998 gestürzten, mittlerweile verstorbenen Diktators Suharto war Kommandant der berüchtigten Eliteeinheit "Kopassus", der Morde, Folter und Entführungen vorgeworfen werden.

Joko Widodo hingegen, unbelastet von Vorwürfen über Verbrechen der Vergangenheit, galt bei den Wahlen 2014 als Hoffnungsträger. Seine Bilanz fällt jedoch ernüchternd aus: Jokowis rhetorische Rückendeckung für Menschenrechte habe zu keinen wirkungsvollen Maßnahmen geführt, sagte der Indonesien-Experte von Human Rights Watch, Andreas Harsono, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Indonesiens Sicherheitskräfte würden nur sehr selten für schwere Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen.  

Wachsende Islamisierung besonders drastisch

Besonders drastisch ist die wachsende Islamisierung, befeuert durch Hass und Hetze in den sozialen Medien. Zielscheibe sind unter anderem Christen und Mitglieder der islamischen Ahmadiyyah-Bewegung. Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte hätten zu Schikanen und Gewalt gegen religiöse Minderheiten durch militante Islamisten beigetragen, kritisiert Harsono.

Dies wird dem Menschenrechtler zufolge ermöglicht durch diskriminierende Gesetze und Vorschriften, einschließlich des Blasphemiegesetzes von 1965. "Zudem begünstigt die Regierung weit verbreitete Angriffe auf sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, indem Funktionäre hasserfüllte Rhetorik und Diskriminierung streuen." Private Versammlungen von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen würden ins Visier genommen, einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Sex werde kriminalisiert.

Kritikern stößt auf, dass an Jokowis Seite ausgerechnet ein konservativer Kleriker für das Amt des Vize-Präsidenten kandidiert: Ma'ruf Amin hatte Anfang 2017 im Blasphemie-Prozess gegen Jakartas damaligen christlichen Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok, ausgesagt. Später wurde Ahok, der der chinesischen Minderheit angehört, zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Wahlbeobachter befürchten viele Enthaltungen

Inzwischen hätten sich die Anti-Ahok-Proteste zu einer Anti-Jokowi-Bewegung ausgeweitet, schrieb das in Jakarta ansässige Institut für politische Analyse von Konflikten (IPAC) im März 2019. Da Widodo ein Förderer Ahoks war, hatten islamistische Gruppen dies zum Anlass genommen, den Präsidenten als "un-islamisch" und "pro-chinesisch" zu verunglimpfen.  

Zugleich sei die Unterstützung der Islamisten für Jokowis Rivalen Prabowo nur halbherzig, erläutert das IPAC. Hauptsächlich gehe es um eine verstärkte staatliche Rolle bei der Durchsetzung konservativer Auslegungen von Moral und Lehrmeinungen. Die Ironie dabei: Der von Islamisten gestützte Prabowo habe mit dem Geschäftsmann Sandiaga Uno einen Vize-Präsidentschaftskandidaten, der in lokalen katholischen Schulen und an amerikanischen Universitäten ausgebildet wurde, während der von Moderaten unterstützte Jokowi mit einem konservativen Kleriker ende.  

Dass sich die Zustände bessern könnten, sieht Andreas Harsono nicht, im Gegenteil: "Viele Kandidaten für ein lokales oder nationales Amt bei den bevorstehenden Wahlen, darunter Prabowo sowie Ma'ruf Amin, waren in notorische Menschenrechtsverletzungen verwickelt, wurden jedoch nie vor Gericht gestellt." Straflosigkeit bleibe ein großes Problem. Indes schätzen Meinungsforscher, dass mindestens 20 Prozent der über 192 Millionen Wahlberechtigten sich enthalten könnten. Viele gaben in Umfragen an, sie seien von Jokowi enttäuscht. Und Prabowo trauen sie erst recht nicht zu, Indonesien in die Zukunft zu führen.  

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