Tansania sperrt seine Kritiker ein

epd-bild/Tillmann Elliesen
Ländliche Gegend in Tansania
Einst galt Tansania als liberales Vorbild in Ostafrika. Doch nun werfen Menschenrechtler Präsident Magufuli vor, Kritiker mundtot zu machen. Auch deshalb, weil im Oktober Wahlen anstehen.

Genf, Daressalam (epd). Es waren Polizisten in Zivil, die Erick Kabendera am 29. Juli 2019 in Gewahrsam nahmen, als er gerade sein Haus verließ. Seitdem sitzt der tansanische Journalist in einem Hochsicherheitsgefängnis - warum, das weiß er bis heute nicht. Bisher gaben die Richter jedes Mal Anträgen der Staatsanwaltschaft statt, wenn diese um mehr Zeit für ihre Ermittlungen bat. Kabendera wurde krank in seiner Zelle, seine Mutter starb, doch Anfang Januar durfte er nicht einmal zu ihrer Beerdigung. Alle Anträge, ihn auf Kaution freizulassen, wurden abgelehnt. An diesem Montag (27.1.) muss der investigative Journalist, der für den Sender "Watetezi TV" gearbeitet hat, erneut vor Gericht erscheinen. Es ist das 13. Mal.

"Anklage ohne jeden Beweis geändert"

Nichts spricht dafür, dass dieses Mal etwas anderes als ein neuer Aufschub kommen wird. "Wir glauben, dass die Regierung hinter diesem Prozess steckt und nur eines will: Dass Erick Kabendera hinter Gittern bleibt", urteilt Roland Ebole, der Kabenderas Fall für das Ostafrika-Büro von Amnesty International verfolgt. "Bei der Festnahme hieß es, man zweifle Kabenderas Staatsangehörigkeit an, aber dann wurde die Anklage ohne jeden Beweis geändert auf Geldwäsche, Steuerhinterziehung und organisierte Kriminalität." Für Ebole ist das kein Zufall: Denn das Gesetz, auf das die Ermittler sich berufen, untersagt jegliche Freilassung auf Kaution.

Und so sitzt Kabendera in der Untersuchungshaft bereits eine Strafe ab, für die er nie verurteilt wurde. Sein Delikt: Kritik an der Regierung von Präsident John Magufuli, der seit 2015 an der Macht ist. "Wir kennen das aus anderen Ländern, aus der Türkei oder aus Ägypten, dass die Untersuchungshaft die eigentliche Strafe ist", sagt Christoph Dreyer von "Reporter ohne Grenzen". Die Pressefreiheit in Tansania hat sich der Organisation zufolge seit Magufulis Regierungsantritt so dramatisch verschlechtert wie nirgendwo sonst in der Welt. Im jährlichen Ranking von 180 Ländern fiel Tansania zuletzt um 25 Plätze auf Rang 118.

Magufulis Regierung benutzt die Justiz, um Kritiker einzuschüchtern. Eine Reihe von Gesetzen hat kein anderes Ziel. Etwa das "Gesetz gegen Cyberkriminalität" von 2015, das von der Bevölkerung "Jamii Forums Gesetz" getauft wurde - nach dem Whistleblower- und Nachrichtenportal, dem Magufuli mit dem Gesetz den Garaus machen wollte. Doch dessen Gründer, Maxence Melo, ließ sich nicht einschüchtern. In den vergangenen fünf Jahren musste er nach eigenen Angaben 137 Mal vor Gericht erscheinen. Weihnachten verbrachte er im Gefängnis. Seine Beiträge werden von fünf Behörden kontrolliert, bevor sie veröffentlich werden dürfen. Doch er macht weiter. Noch.

Lizenzen von Medien suspendiert

Die Lizenzen von fünf Zeitungen und zwei Radiostationen wurden dem tansanischen Verlegerverband zufolge auf Grundlage neuer Gesetze suspendiert, die einen für drei, andere für 18 Monate. Selbst vor der renommiertesten Zeitung des Landes, dem "The Citizen", machten die Behörden nicht halt. Weil das Blatt über inoffizielle Wechselkurse berichtet hatte, machten die Behörden die Redaktion für sieben Tage dicht. Denn ein neues Statistik-Gesetz verbietet es Medien, Statistiken zu verbreiten, die nicht von einer Behörde genehmigt worden sind.

Auch "Reporter ohne Grenzen" wurde Opfer des Statistik-Maulkorbs: Eine Untersuchung über die Besitzverhältnisse tansanischer Medien durfte Ende 2018 nur mit geschwärzten Zahlen erscheinen, weil die zuständige Behörde die Zahlen nicht freigab. Trotz wiederholter Nachfragen ist das bis heute nicht geschehen. Und so glaubt Amnesty-Experte Ebole nicht daran, dass Kabendera freigelassen wird: "Zumal in diesem Jahr ein Wahljahr ist - vieles spricht dafür, dass Präsident Magufuli seine Kritiker bis zur Wahl im Oktober kaltstellen will."

Das trifft nicht nur Journalisten. Der Menschenrechtsanwalt Tito Magoti ist seit Dezember in Haft. Anklage und Vorgehensweise der Justiz gleichen denen im Fall Kabendera. "Immer mehr Menschenrechtler fliehen, weil sie Angst vor Verfolgung und um ihr Leben haben", beobachtet Ebole. Dabei galt Tansania vor Magufulis Amtsantritt als Vorbild in Ostafrika. "Heute ist die Lage schreckenserregend." Ebole hofft, dass die Staaten, die Tansania Entwicklungshilfe geben, mehr Druck auf den Präsidenten ausüben werden: "Magufuli hört nur zu, wenn es ums Geld geht - sonst hat Kabendera keine Chance, freigelassen zu werden."

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