Unruhiges Wahljahr in Afrika

epd-bild/Stefan Ehlert
Wahlen in Mosambik im Oktober 2019
In jedem dritten afrikanischen Land wird 2020 gewählt
In Togo wird an diesem Samstag ein neuer Präsident gewählt. Vermutlich siegt der alte, auch weil die Opposition unterdrückt wird. In vielen afrikanischen Ländern, die in diesem Jahr ebenfalls wählen, sieht es ähnlich aus.

Genf, Lomé (epd). Sieben Kandidaten für den Präsidentenposten stehen am Samstag in Togo zur Wahl. Doch daran, dass Amtsinhaber Faure Gnassingbé sich seine vierte Amtszeit sichern wird, zweifelt in dem westafrikanischen Küstenstaat kaum jemand. Gnassingbé, dessen Vater vor mehr als 50 Jahren die dynastischen Verhältnisse begründete, kontrolliert Wahlkommission und Oberstes Gericht. Die Oppositions-Kandidaten sind machtlos. "Dabei dürfte Gnassingbé gar nicht erneut kandidieren", kritisiert der Oppositionelle Jean-Pierre Fabre im französischen Sender TV5 Monde.

Die umstrittene Wahl im kleinen Togo ist der Auftakt für ein Superwahljahr, das Afrika bis zum Jahresende in Atem halten könnte. Nach Parlamentswahlen in Kamerun und auf den Komoren ist Gnassingbé der erste Staatschef, der sich in diesem Jahr vom Volk bestätigen lässt. In Mali, Äthiopien und Burundi soll im Mai, in der Elfenbeinküste, Guinea und Tansania im Oktober gewählt werden. Ebenfalls für Oktober ist die erste Wahl in Somalia seit 60 Jahren angesetzt. Burkina Faso, Ghana, Niger und die Zentralafrikanische Republik haben Wahlen für Jahresende angesetzt. Auch im Sudan soll gewählt werden.

Unerbittlicher Wahlkampf

Welche und wie viele dieser Wahlen wirklich stattfinden, steht allerdings in den Sternen. In Mali, Burkina Faso und Niger haben Islamisten zuletzt so viele Anschläge verübt, dass unklar ist, wie eine sichere Abstimmung laufen könnte. In Somalia, wo nach zwei Versammlungen von Clanführern endlich das Volk über seine Führung abstimmen soll, ist die Lage noch schwieriger. Und in der Elfenbeinküste zeichnet sich ab, dass sich genau die Kandidaten gegenüberstehen werden, deren unerbittlicher Wahlkampf vor 20 Jahren im Bürgerkrieg endete - Wiederholung nicht ausgeschlossen.

Kompliziert dürften auch die Wahlen in Äthiopien werden. Der mit dem Friedensnobelpreis geehrte Ministerpräsident Abiy Ahmed stellt sich erstmals zur Wahl. Seiner "Wohlstandspartei" hat sich aber nur ein Teil des bisher regierenden EPRDF-Bündnisses angeschlossen. Vor allem Politiker der Tigray-Region im Norden des Landes lehnen Abiys Reformkurs und die Aussöhnung mit Eritrea vehement ab, auch weil sie von der früheren harten Linie am meisten profitierten.

Arbeit und Wohlstand

Noch härter dürfte Abiy eine Allianz seiner eigenen Volksgruppe der Oromo treffen, denen Separatisten und früheren Verbündete angehören. Drahtzieher ist der Medienunternehmer Jawar Mohammed, der über Fernsehen und soziale Medien die Stimmung innerhalb der größten Ethnie des Landes aufheizt. Auch in anderen Regionen wächst der ethnische Nationalismus. Viele vor allem junge Äthiopier sind zudem ungeduldig, fordern mehr Arbeit und Wohlstand. "Gewalt im Wahlkampf scheint unvermeidlich, vor allem in den Städten und gerade in der Hauptstadt Addis Abeba", glaubt ein lokaler Journalist, der nicht mit Namen genannt werden möchte.

Immerhin lässt Abiy seine Kritiker noch gewähren. In Tansania, wo der autoritäre Präsident John Magufuli wiedergewählt werden will, sitzen Journalisten in Haft, während ihre kafkaesk anmutenden Prozesse immer wieder verschoben werden. "Vieles spricht dafür, dass Präsident Magufuli seine Kritiker bis zur Wahl im Oktober kaltstellen will", glaubt Roland Ebole von Amnesty International. Betroffen ist ihm zufolge jeder, der den unbedingten Machtanspruch Magufulis infrage stellt. "Immer mehr Menschenrechtler fliehen, weil sie Angst vor Verfolgung und um ihr Leben haben."

Afrika will Indien überholen

Davon unabhängig ist Magufuli gerade bei der ländlichen Bevölkerung beliebt. Selbst Kritiker räumen ein, dass in den vergangenen fünf Jahren etwa die Versorgung mit Trinkwasser oder die medizinische Ausstattung besser geworden sind. Im Nachbarland Burundi schließlich tritt Ex-Rebellenchef Pierre Nkurunziza zwar nicht mehr an. Doch sein designierter Nachfolger Evariste Ndayishimiye dürfte im Sinne Nkurunzizas mit eiserner Hand weiter regieren.

Die absehbaren Triumphe vieler Autokraten dürfte die Staaten freuen, die ihren Einfluss in Afrika seit Jahren systematisch ausbauen: Außer China sind das auch Russland, Katar und die Türkei. Zugleich bedroht die nationalistische Welle auch eines der größten panafrikanischen Projekte seit Jahrzehnten. Im Juli soll die nach EU-Vorbild modellierte Freihandelszone ACFTA starten, der alle afrikanischen Nationen außer Eritrea angehören. Afrika will damit wirtschaftlich Indien überholen. Nationalisten in Südafrika oder Nigeria warnen indes bereits vor unkontrollierter Zuwanderung.

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