Amnesty beklagt exzessive Polizeigewalt im Kampf gegen Corona

Berlin - In vielen Ländern werden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nach Angaben von Menschenrechtlern mit unverhältnismäßiger Gewalt durchgesetzt. Polizeigewalt habe häufig zu Menschenrechtsverstößen geführt und manchmal die Gesundheitskrise noch verschlimmert, erklärte Amnesty International in einem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Bericht. Dabei seien Menschen getötet oder schwer verletzt worden. Insgesamt listete Amnesty Fälle in 60 Ländern auf.

Dem Bericht zufolge kam es zu massenhaften Festnahmen, rechtswidrigen Abschiebungen, Zwangsräumungen und aggressiven Maßnahmen gegen friedlich Protestierende. Regierungen hätten die Pandemie als Grund vorgeschoben, um Menschenrechte einzuschränken und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

So sollen iranische Sicherheitskräfte scharfe Munition und Tränengas eingesetzt haben, um Proteste gegen den mangelhaften Schutz von Inhaftierten vor Covid-19 aufzulösen. Dabei wurden laut Amnesty Menschen verletzt und getötet. In Kenia seien allein in den ersten fünf Tagen nach Verhängung einer Ausgangssperre mindestens sieben Personen bei Polizeieinsätzen getötet worden, 16 Menschen hätten stationär behandelt werden müssen. Auch in Angola habe die Polizei zwischen Mai und Juli mindestens sieben junge Männer getötet.

In der Türkei seien zwischen März und Mai Berichten zufolge 510 Menschen festgenommen worden, weil man sie wegen des "Teilens provokativer Coronavirus-Posts" in den sozialen Medien polizeilich befragen wollte. Dies sei ein eindeutiger Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, erklärte Amnesty.

Gesamte Roma-Siedlung unter Quarantäne gestellt

In der Slowakei hätten Strafverfolgungsbehörden und Militärs beispielsweise eine gesamte Roma-Siedlung unter Quarantäne gestellt, was das Stigma dieser Minderheit noch verstärkt habe. Auch in Ländern wie Venezuela, Uganda oder Sri Lanka hätten Sicherheitskräfte bei Covid-19-Bestimmungen diskriminierende und rassistische Haltungen an den Tag gelegt. Dies treffe vor allem Flüchtlinge, Asylsuchende, Migrantinnen und Migranten, Lesben, Schwule und Wohnungslose.

"Es ist zwingend notwendig, dass staatliche Stellen auch in der Corona-Pandemie rechtsstaatliche Grundsätze einhalten und insbesondere verhältnismäßig vorgehen", sagte Philipp Krüger, Experte für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland. "Zwangsmaßnahmen dürfen immer nur letztes Mittel sein." Für die exzessive oder rechtswidrige Ausübung ihrer Befugnisse müssten Ordnungskräfte zur Rechenschaft gezogen werden.

Einschränkungen der Menschenrechte während einer Pandemie sind Amnesty zufolge nur dann vertretbar, wenn diese auch tatsächlich die öffentliche Gesundheit schützen oder durch andere Notsituationen gerechtfertigt sind.

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