Amnesty beklagt Straffreiheit für schwere Verbrechen in Libyen

Berlin - Zehn Jahre nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi in Libyen warten die Opfer von Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen laut Amnesty International weiter auf Gerechtigkeit. "In Libyen wurden ein Jahrzehnt lang Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit für Frieden und Stabilität geopfert. Keines von beidem wurde erreicht", erklärte die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch. Stattdessen hätten die Täter Straflosigkeit genossen. "Sie wurden sogar noch in staatliche Institutionen integriert und mit Respekt behandelt", sagte Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für Nahost und Nordafrika bei Amnesty International.

Dabei geht es Amnesty zufolge um Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen wie rechtswidrige Tötungen, Verschwindenlassen, Folter, Vertreibung und Entführungen durch Milizen und bewaffnete Gruppen - sowohl unter der Herrschaft Gaddafis als auch danach. Seit dem Sturz des Langzeitherrschers sei Libyen von Gewalt und Rechtlosigkeit geprägt. Die Regierungen hätten wiederholt zugesichert, die Herrschaft des Rechts zu etablieren und Menschenrechte zu respektieren, seien aber allesamt dabei gescheitert, Täter zur Rechenschaft zu ziehen. "Solange die Verantwortlichen nicht vor Gericht gestellt, sondern vielmehr mit Machtpositionen belohnt werden, werden die Gewalt, das Chaos, die systematischen Menschenrechtsverletzungen und das endlose Leid der Zivilbevölkerung, die das Post-Gaddafi-Libyen geprägt haben, unvermindert anhalten", betonte Eltahawy.

Zusammenarbeit mit der Aufklärungsmission der UN

Amnesty International forderte alle Konfliktparteien zu einer uneingeschränkten Zusammenarbeit mit der Aufklärungsmission der Vereinten Nationen auf. Diejenigen, die im Verdacht stünden, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verübt zu haben, müssten aus den Gruppen ausgeschlossen werden. An die internationale Gemeinschaft appellierte Amnesty, die UN-Fact-Finding-Mission mit ausreichenden Ressourcen, administrativer Unterstützung und Zeit auszustatten, damit sie ihre Arbeit abschließen könne.

Nach dem Sturz Gaddafis 2011 übernahmen Milizen die Macht in dem nordafrikanischen Land. Seit 2014 war es faktisch zwischen zwei Faktionen geteilt, die rivalisierende Regierungen bildeten. Im Oktober vergangenen Jahres einigten sie sich unter UN-Vermittlung nach blutigen Kämpfen auf einen Waffenstillstand. Vor zwei Wochen verständigten sich nun Delegationen der international anerkannten Regierung mit Sitz in Tripolis und der Gegenregierung im Osten des Landes, die den Rebellengeneral Chalifa Haftar unterstützt, auf eine Übergangsregierung. Diese soll bis zu Wahlen am 24. Dezember im Amt bleiben und dann von einer demokratisch legitimierten Führung abgelöst werden.

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