Parlamentswahl in Äthiopien überschattet von Tigray-Konflikt

Genf, Addis Abeba - Im Schatten eines blutigen Konflikts und einer drohenden Hungersnot in der Krisenregion Tigray ist am Montag in Äthiopien gewählt worden. Die Parlamentswahl fand allerdings wegen Verzögerungen bei der Vorbereitung oder Konflikten nicht in allen Teilen des Landes statt - auch nicht in Tigray. UN-Generalsekretär António Guterres rief zu einem friedlichen und freien Verlauf der Abstimmung auf.

Vor zahlreichen Wahllokalen bildeten sich am Montag lange Schlangen. In vielen Städten hätten Wähler bereits um sechs Uhr am Morgen ihre Stimme abgegeben, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ENA. Mehrere Oppositionsparteien, unter anderen von der größten Bevölkerungsgruppe der Oromo, boykottierten die Abstimmung mit der Begründung, dass einige führende Politiker festgenommen und Mitglieder eingeschüchtert worden seien.

Die Wahl galt auch als Abstimmung über Ministerpräsident Abiy Ahmed, der das Land am Horn von Afrika seit 2018 regiert. Abiy wurde für seine Reformen gelobt und bekam 2019 den Friedensnobelpreis für die Annäherung mit dem Nachbarland Eritrea, steht jedoch zunehmend wegen seines Vorgehens in Tigray in der Kritik.

Wahlbeobachter von der Afrikanischen Union vor Ort

In Tigray eskalierten im November Spannungen zwischen der äthiopischen Zentralregierung in Addis Abeba und der regional regierenden Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) in einen blutigen Konflikt. Unzählige Menschen flohen, schätzungsweise 350.000 sind von einer Hungersnot bedroht. Streit über die Wahlen hatte maßgeblich mit zu der Eskalation geführt: Abiy Ahmed hatte 2020 alle Wahlen wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben. Die TPLF-Regionalregierung hatte dennoch im September Wahlen abgehalten, die Abiy für ungültig erklärte.

In Genf prangerte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, die anhaltende Gewalt in Tigray an. Alle Konfliktparteien hätten schwere Menschenrechtsverletzungen und Übergriffe gegen Zivilisten zu verantworten, erklärte Bachelet am Montag in Genf. Vor dem UN-Menschenrechtsrat listete Bachelet Verbrechen aus der Region auf: außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Festsetzungen, sexuelle Gewalt gegen Kinder und Erwachsene sowie Vertreibungen.

Bei der Wahl waren laut Nachrichtenagentur ENA 45 lokale Nichtregierungsorganisationen und 120 internationale Wahlbeobachter unter anderem von der Afrikanischen Union (AU) im Einsatz. Die EU hatte im Mai erklärt, keine Beobachtungsmission zu entsenden, weil die äthiopische Regierung sich geweigert habe, die Unabhängigkeit der Mission zu gewährleisten.

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