UN: Explosion hat Millionen Menschen im Libanon in große Not gestürzt

Genf/Köln - Ein Jahr nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut herrscht laut den Vereinten Nationen im Libanon große Not. Die Katastrophe und der anschließende wirtschaftliche Zusammenbruch hätten Millionen Menschen in tiefe Armut gestürzt, warnte das Welternährungsprogramm (WFP) am Dienstag in Genf.

Die UN-Organisation versorge nun 1,4 Millionen Menschen im Libanon. Niemals zuvor hätten so viele Kinder, Frauen und Männer in dem Land Hilfe des WFP empfangen. Neben den Einheimischen müsse das WFP auch Flüchtlingen aus Syrien Beistand leisten. Unter der Detonation und den Folgen leide die Bevölkerung noch immer, erklärte der WFP-Landesdirektor Abdallah Alwardat.

Laut dem Kinderhilfswerk Unicef sind auch Tausende Jungen und Mädchen auf Hilfe angewiesen. Zehntausende Menschen hätten infolge der Katastrophe ihre Jobs verloren, sodass sie kaum die Ernährung und Gesundheitsversorgung ihrer Kinder gewährleisten könnten, erklärte das UN-Kinderhilfswerk in Köln. Die Wirtschaftskrise, die Corona-Pandemie und die politische Instabilität im Libanon verschärften die Not.

Bislang niemand zur Verantwortung gezogen

Bei einer Befragung von 1.187 Haushalten habe ein Drittel der Familien angegeben, dass mindestens ein Kind bis heute Anzeichen psychischer Not aufzeige, erklärte Unicef. Den Angaben nach haben zwei Drittel der befragten Familien seit der Katastrophe keinen Zugang mehr zu medizinischer Versorgung oder Medikamenten.

Am 4. August 2020 war es auf dem Hafengelände von Beirut zu einer massiven Detonation gekommen, die das Zentrum der Stadt verwüstete. Mehr als 200 Menschen kamen ums Leben. Nach Angaben von Unicef wurden etwa 6.500 Menschen verletzt, darunter 1.000 Kinder.

Grund für die Explosion waren 2.700 Tonnen Ammoniumnitrat, die jahrelang offenbar mit dem Wissen von Regierungsmitgliedern ungesichert im Hafen gelagert waren. Niemand wurde bislang zur Verantwortung gezogen.

Besonders betroffen: Alleinerziehende, Ältere und behinderte Menschen

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, forderte von Libanons Regierung eine unparteiische, transparente und konsequente Aufklärung der Vorkommnisse. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Bachelet erinnerte daran, dass noch immer viele Familien von Opfern auf eine Entschädigung warteten.

Caritas International warnte vor einer „riesigen Auswanderungswelle“ junger, gut ausgebildeter Menschen. Die Stimmung in der Bevölkerung sei am Boden, sagte die Libanon-Referentin des katholischen Hilfswerks, Regina Kaltenbach.

Laut der Hilfsorganisationen Handicap International leiden vor allem Menschen mit Behinderung, ältere Menschen sowie alleinerziehende Mütter unter der Krise.
 

Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!