Böll-Stiftung und Umweltverbände: Pestizide bedrohen Umwelt

Berlin - Die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordern drastische Beschränkungen beim Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Die Menge weltweit eingesetzter Pestizide sei seit 1990 um 80 Prozent gestiegen, heißt es in dem gemeinsam mit dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) veröffentlichten „Pestizidatlas 2022“. Die Bundesregierung müsse sich vor allem für ein Verbot hochgefährlicher Pestizide und einen Export-Stopp von bereits in der EU verbotenen Substanzen einsetzen, erklärten sie am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung der Studie.

Dem „Pestizidatlas 2022“ zufolge führte der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen wie Soja als Futtermittel zu einer gravierenden Ausweitung des Einsatzes von Herbiziden in Lateinamerika. Die Steigerungen lägen knapp bei bis zu 150 Prozent. Die Grünen-nahe Böll-Stiftung und die Umweltverbände warnen vor den anhaltenden Belastungen von Mensch, Natur und Umwelt. An Luftmessstellen ließen sich Pestizide nachweisen, die bis zu 1.000 Kilometer weit entfernt ausgebracht worden seien.

Anstieg an Vergiftungen in Afrika und Asien

Der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln zerstöre überdies die biologische Vielfalt: Konventionell bewirtschaftete Äcker wiesen im Vergleich zu Flächen, die nicht mit Herbiziden behandelt wurden, nur drei Prozent der Artenvielfalt an Pflanzen auf.

Die wachsende Menge an Pestiziden führt dem Bericht zufolge vor allem in Afrika und Asien zu einem Anstieg an Vergiftungen, besonders in Ländern, in denen in der Landwirtschaft Tätige oftmals nicht ausreichend geschützt sind. In Asien ist laut Bericht von jährlich rund 255 Millionen Vergiftungsunfällen auszugehen, in Afrika von knapp über 100 Millionen und in Europa von rund 1,6 Millionen.

Äpfel werden etwa 30-mal pro Saison gespritzt

„Mit Pestiziden bekämpfen wir nicht den Hunger“, sagte Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, unter Hinweis auf steigende Zahlen unterernährter Menschen. „Auch in Europa sprühen wir viel zu viel: Alleine Äpfel, das Lieblingsobst der Deutschen, werden etwa 30-mal pro Saison gespritzt.“

Die Bundesregierung müsse sich für eine Halbierung der Pestizidmenge einsetzen, mahnte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt: „Entscheidend ist, dass die landwirtschaftlichen Betriebe dabei unterstützt werden, mit weniger Pestiziden wirtschaftlich tragfähig zu arbeiten.“

Deutsche Firmen exportieren hier verbotene Pestizide ins Ausland

„385 Millionen jährliche Pestizidvergiftungen weltweit sind ein Skandal“, sagte Doris Günther, Vorstand von PAN Germany. Auch deutsche Firmen exportierten hochgefährliche Pestizide nach Afrika, Asien und Lateinamerika, die hierzulande zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt verboten seien.

Der Industrieverband Agrar sprach dagegen von „aufgeblähten Zahlen“. Einer der Autoren der Studie, der Toxikologe Peter Clausing, wies den Vorwurf unter Hinweis auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation zurück.

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Harald Ebner (Grüne), sprach sich für eine dringende Reduzierung von Pestiziden aus: „Agrarindustrielle Ansätze wie Gentechnik und chemisch-synthetische Pestizide gefährden unsere natürlichen Lebensgrundlagen, statt sie zu sichern.“

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