Menschenrechtsexperte: Nicht leichtfertig von Völkermord sprechen

München - Trotz der erschreckenden Bilder und Augenzeugenberichten von den Gräueltaten im ukrainischen Butscha mahnt der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, nicht leichtfertig mit dem Begriff Völkermord umzugehen. „Die Anforderungen an Völkermord sind sehr, sehr hoch“, sagte der österreichische Menschenrechtsanwalt dem Bayerischen Rundfunk (BR, Freitag) und verwies auf die juristische Definition für Völkermord (Genozid). Nowak ist Professor für Internationales Recht und Menschenrechte an der Universität Wien.

Auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung heißt es zur Definition von „Völkermord“ in der UN-Völkermord-Konvention: „Explizit als Völkermord definiert werden in Artikel 2 Handlungen, 'die in der Absicht begangen' werden, 'eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören'. Zu solchen Handlungen zählen nicht nur die gezielte 'Tötung von Mitgliedern der Gruppe', sondern auch 'die Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischem Schaden' und die 'vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung' herbeizuführen.“

Internationaler Strafgerichtshof soll Gräueltaten aufklären

Nowak sagte weiter, dass man angesichts der bisherigen Quellenlage zwar davon ausgehen könne, dass die ungefähr 300 hingerichteten Menschen Ukrainer sind - aber ob dies „wirklich ein Völkermord ist, da würde ich sehr, sehr vorsichtig sein.“ Er setze bei der Aufklärung der Gräueltaten von Butscha und anderswo auf die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Nur forensische Experten des Internationalen Strafgerichtshofs könnten vor Ort genau feststellen, wie jemand zu Tode gekommen sei. Wenn sich letztlich herausstellen, „dass das alles Zivilisten sind, dann ist das völlig klar, dass es sich um ein Kriegsverbrechen handelt“.

Gräueltaten an der Zivilbevölkerung der Stadt Butscha, die nach dem Abzug russischer Truppen aus dem Kiewer Vorort bekannt geworden waren, hatten international Entsetzen ausgelöst. Rechtsexperten beschuldigen Russlands Truppen eine Reihe von Kriegsverbrechen verübt zu haben. Die ukrainische Regierung spricht von Völkermord. Russland wiederum wirft der Ukraine vor, die Taten inszeniert zu haben.

Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!