UN-Vertreterin wirft Westen Untätigkeit im Tigray-Konflikt vor

Berlin - Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtsverteidiger, Mary Lawlor, wirft der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf den Tigray-Konflikt in Äthiopien Untätigkeit vor. Während sich ein Großteil der medialen und politischen Aufmerksamkeit in Europa auf den Krieg in der Ukraine konzentriere, werde diese Konfliktregion allzu oft übersehen, kritisierte Lawlor am Montag in Berlin anlässlich der Verleihung des Amnesty-Menschenrechtspreises 2022 an den unabhängigen Äthiopischen Menschenrechtsrat (EHRCO).

Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung der deutschen Amnesty-Sektion sollte dem Ethiopian Human Rights Council am Abend im Berliner Maxim-Gorki-Theater für seinen risikoreichen Einsatz überreicht werden.

Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft "kann nicht mit mangelndem Wissen erklärt werden"

„Wir schulden dem EHRCO großen Dank dafür, dass sie schrecklichste Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien ans Licht gebracht haben“, sagte UN-Vertreterin Lawlor. Unter großem persönlichem Risiko sorgten seine Mitglieder dafür, „dass die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf die Situation in Äthiopien nicht mit mangelndem Wissen erklärt werden kann“, so Lawlor.

Laut Amnesty verursachen die bewaffneten Auseinandersetzungen in Äthiopien, vor allem in der Region Tigray, seit eineinhalb Jahren schwerste Menschenrechtsverletzungen. Der Konflikt werde auch zum Anlass genommen, die Meinungs- und Informationsfreiheit in dem Land einzuschränken, sagte Generalsekretär Markus N. Beeko. In Äthiopien herrscht ein blutiger Konflikt zwischen Zentralregierung und lokalen bewaffneten Gruppen in den nördlichen Regionen Tigray, Afar und Amhara.

Beeko nannte den Äthiopischen Menschenrechtsrat „eines der Leuchtturmbeispiele im weltweiten Einsatz für die Menschenrechte“. Seit über 30 Jahren stünden seine Mitglieder jenen zur Seite, die Menschenrechtsverletzungen erfahren mussten oder davon bedroht sind: „Sie schauen hin, wo andere wegschauen.“ Aktuell dokumentierten die Mitglieder in der Konfliktregion Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gezielte ethnische Säuberungen. Dabei sei die älteste unabhängige Menschenrechtsorganisation des Landes selbst zahlreichen staatlichen Repressionen ausgesetzt.

Appell an die Bundesregierung, die Zivilgesellschaft Äthiopiens zu unterstützen

„Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung, denn sie verdeutlicht die schwierigen Bedingungen, unter denen wir Menschenrechtsarbeit leisten“, sagte der geschäftsführende EHRCO-Direktor, Dan Yirga Haile. Ihm zufolge werden derzeit in Äthiopien viele Kritiker der Regierung und politische Meinungsführer festgenommen, wie er dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte.

Yirga Haile appellierte an die Bundesregierung, die Zivilgesellschaft Äthiopiens zu unterstützen. Seit dem Ukraine-Krieg „geraten wir in Vergessenheit“, kritisierte er. Die äthiopische Regierung nutze das aus. Erst vor etwa einer Woche wurden demnach in der Amhara-Region mehr als 4.500 Menschen festgenommen, darunter mehrere Journalisten.

Mit dem Preis würdigt die deutsche Sektion von Amnesty alle zwei Jahre Persönlichkeiten und Organisationen, die sich unter schwierigen Bedingungen für die Menschenrechte einsetzen.

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