Ex-Guerillero Petro zum kolumbianischen Präsidenten gewählt

Berlin/Bogotá - Der Linkspolitiker und Ex-Guerillero Gustavo Petro wird neuer Präsident in Kolumbien. Der 62-jährige ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá gewann am Sonntag (Ortszeit) die Stichwahl um das Präsidentenamt mit 50,44 Prozent der Stimmen. Er setzte sich damit gegen den Bauunternehmer und unabhängigen Kandidaten Rodolfo Hernández durch, der auf 47,31 Prozent der Stimmen kam. Hernández sagte noch am Wahlabend, dass er das Ergebnis akzeptiere.

Erstmals in seiner jüngeren Geschichte wird Kolumbien damit von einem linksgerichteten Politiker regiert. „Ab heute verändert sich Kolumbien“, sagte Petro in seiner ersten Ansprache als gewählter Präsident. Er versprach einen Wandel in dem sozial und politisch zerrissenen Land. „Wir haben heute Geschichte geschrieben“, sagte er.

Ein Wahlhelfer erschossen

Petro löst den amtierenden konservativen Staatschef Iván Duque ab, der laut Verfassung nicht noch einmal antreten durfte. Er verspricht tiefgreifende Reformen, um die Armut zu bekämpfen, und mehr Investitionen in Gesundheit und Bildung.
Die Wahl fand unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Es kam zu zahlreichen Zwischenfällen. In der Region Cauca wurde ein Wahlhelfer erschossen, wie die Zeitung „El Tiempo“ berichtete.

Kolumbien durchlebt aktuell die gewalttätigste Phase seit dem 2016 vom früheren Präsidenten Juan Manuel Santos und der Farc-Guerilla geschlossenen Friedensabkommen. Kriminelle Banden, paramilitärische Gruppierungen und Rebellen kämpfen in vielen Gebieten des Landes um Einkommen und die Vorherrschaft im Drogenhandel.

Millionen Menschen sind in die Armut gerutscht

In dem seit den 1960er Jahren andauernden Bürgerkrieg waren mehr als 300.000 Menschen getötet und sieben Millionen vertrieben worden. Die im Friedensvertrag vereinbarte Aufarbeitung der Gräuel verläuft schleppend. Gleichzeitig hat die Corona-Pandemie die soziale Ungleichheit verstärkt. Millionen Menschen sind wieder in die Armut gerutscht.

Der zum Präsidenten gewählte Petro will unter anderem den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft erhöhen und den Klimaschutz stärken. Er hatte zum dritten Mal um die Präsidentschaft gekämpft. 2018 verlor er gegen Duque. Dieser gratulierte Petro bereits zum Wahlsieg. „Wir sind übereingekommen, uns in den nächsten Tagen zu treffen, um einen harmonischen, institutionellen und transparenten Übergang einzuleiten“, schrieb er auf Twitter.

Umweltaktivistin Francia Márquez als Vizepräsidentin

Petro war in den 1970er Jahren aktiv in der inzwischen aufgelösten Guerilla M-19. Er war eineinhalb Jahre in Haft. Petro sagt, dass es nie einen Prozess gegen ihn gegeben habe. Seine politischen Gegner halten ihm seine Vergangenheit heute noch vor und schürten im Wahlkampf die Angst, er wolle Kolumbien in „ein zweites Venezuela“ verwandeln.

Petros Vizepräsidentin wird die afrokolumbianische Umweltaktivistin Francia Márquez, die vor allem junge und marginalisierte Wähler angezogen hat. Sie kämpfte in der von der Gewalt besonders betroffenen Region Cauca gegen illegale Goldsuche. Mehrfach wurde sie mit dem Tod bedroht. 2018 erhielt Márquez für ihren Kampf den renommierten Goldman-Preis.
 

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