Erst Held, jetzt Autokrat: Ruandas Präsident Paul Kagame wird 65

Nairobi/Kigali - Im Jahr 1994 sah die Welt tatenlos zu, als in Ruanda jeden Tag Tausende Menschen ermordet wurden. Dass das Morden endete, lag auch an Paul Kagame. Der damals 37-Jährige hatte im Exil in Uganda eine Truppe aufgebaut, die Patriotische Front Ruandas (FPR), mit der er die im Land wütenden Hutu-Milizen unter Kontrolle brachte. Innerhalb von drei Monaten hatten sie eine Million Menschen getötet. Die meisten von ihnen zählten zur Gruppe der Tutsi, wie auch Kagame selbst. Am Sonntag wird Kagame, der seit 2000 an der Spitze des ostafrikanischen Staates steht, 65 Jahre alt.

Sein Werdegang ist eng verwoben mit der Geschichte Ruandas. Seine Eltern waren 1959 mit ihren kleinen Kindern ins Nachbarland Uganda geflohen, als schon einmal Hutu-Extremisten Massaker an Tutsi-Familien verübten. Als junger Mann schloss er sich den Truppen um Yoweri Museveni an und war am Putsch gegen den ugandischen Präsidenten Milton Obote beteiligt. Museveni, der bis heute Uganda regiert, machte Kagame zum Leiter des Militärgeheimdienstes. Loyalität und Unbestechlichkeit gehörten schnell zu seinem Ruf - genau wie sein Bedürfnis, alles im Blick und unter Kontrolle zu haben.

Gemeinsam mit anderen Exil-Tutsi-Militärs gründete Kagame in den 80er Jahren die FPR. Die Regierung in seiner Heimat nährte derweil weiter eine Ideologie, beruhend auf Einteilungen der ehemaligen Kolonialherrscher, nach der Hutu die überlege Volksgruppe sind. Tutsis galten als fremd und minderwertig. 1994 kam es dann im ganzen Land zu Massakern. Kagame und seine Exil-Armee begannen, Ruanda Stück für Stück einzunehmen und die Milizen zurückzuschlagen. Im Juli fiel Kigali.

Nach dem Völkermord lag das Land in Scherben. Viele Kinder hatten keine Eltern mehr, Nachbarn hatten gemordet, Felder waren zerstört. Kagame wurde Vizepräsident und Verteidigungsminister. Seit 2000 steht er als Präsident an der Spitze des kleinen Landes in Ostafrika, das weder einen Zugang zum Meer noch besondere Bodenschätze hat. Trotzdem hat Kagame es geschafft, flächendeckend Gesundheitszentren sowie Schulen zu bauen und die Wirtschaft anzukurbeln.

Besonders die Hauptstadt Kigali macht mit ihren sauberen Straßen auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Kameras und Polizisten sorgen dafür, dass sich alle an die Regeln halten. Doch immer wieder werden Menschen aus ärmeren Stadtteilen umgesiedelt, damit schöne Häuser gebaut werden können.

„Der alte Mann“ oder „PK“ wird Paul Kagame in Ruanda genannt, ob liebevoll oder aus Angst vor Repression ist nicht ganz klar. Der deutsche Botschafter Peter Woeste musste 2019 aufgrund einer kritischen privaten Nachricht das Land verlassen. Politische Gegner hat Kagame systematisch ausgeschaltet. Viele von ihnen sind verschwunden oder wurden ermordet. 2020 wurde Paul Rusesabagina, der eine Oppositionspartei aus dem Exil lenkte, entführt und dann vergangenes Jahr zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Auf seinem Twitteraccount gibt sich Kagame, der 2017 mit 98 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde, nahbar, als netter, fitter Opa mit den süßen Enkelkindern. Mit seiner Frau Jeannette erschien er vergangenes Wochenende beim monatlichen autofreien Sportsonntag in Kigali. Er setzt sich für Tiere und den Umweltschutz ein, Ruanda war in Afrika das erste Land, in dem Plastiktüten verboten wurden. Das Image funktioniert: Investoren lieben das Land, Geberländer auch.

Derzeit werfen Kritiker Kagame vor, die M23-Rebellen im Ostkongo zu unterstützen. Über Ruanda wird das Gold, mit dessen Abbau die Gruppe ihre Gewalt finanziert, in arabische Länder und dann weiter nach Europa exportiert. Kagames Weste ist nicht so weiß, wie er sie gerne präsentiert. Aber der Schein reicht, damit ihm überall auf der Welt die Türen aufgehalten und Gelder zur Verfügung gestellt werden.

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