Wahlen in der DR Kongo: Viele Kandidaten, keine Strategie

Goma - Von Lastwagen dröhnt Musik, überall hängen Plakate. Motorradtaxen mit Parteifahnen verstopfen die Straßen in der ostkongolesischen Großstadt Goma. Wenn einer der mehr als 20 Präsidentschaftskandidaten anreist, jubelt das Volk. Es ist Endspurt im Wahlkampf in der Demokratischen Republik Kongo.

Das riesige Land im Herzen Afrikas liefert viele Rohstoffe, die Industrienationen für den grünen Energiewandel brauchen. Zudem beherbergt es nach dem Amazonas den zweitgrößten Regenwald der Welt und das weltweit größte Torfmoor. Beides ist als Speicher von CO2 wichtig im Kampf gegen die Erderwärmung. Und die Wahl entscheidet, ob der Kongo einigermaßen stabil bleibt. Viele rechnen bei der Präsidentenwahl mit einem Sieg von Amtsinhaber Félix Tshisekedi.

Ob und wen die Menschen am 20. Dezember aber tatsächlich wählen, sei offen, sagt Odile Bulabula vom Netzwerk für Innovation in Bukavu. „Die Leute gehen nur zu den Wahlveranstaltungen, weil sie bezahlt sind.“ Sie bekämen umgerechnet drei Euro und ein T-Shirt. 44 Millionen Erwachsene sind wahlberechtigt. Abgestimmt wird unter anderem über das Präsidentenamt und die 500 Sitze im Parlament.

Bulabula bemüht sich, die Menschen in Bürgerversammlungen zum Urnengang zu bewegen. Sie erklärt ihnen, dass sie auf diese Weise die Politiker verantwortlich halten könnten. Aber die Aktivistin hat einen schweren Stand. Denn die meisten Kongolesen sind damit beschäftigt, Geld für Essen, Schulgeld oder Arztrechnungen aufzutreiben. Zwei Drittel der geschätzt 100 Millionen Einwohner sind arm.

Hetze gegen den Nachbarn Ruanda

Unter den Präsidentschaftskandidaten - 20 Männer und zwei Frauen - befinden sich neben dem amtierenden Präsidenten auch der Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege, der ehemalige Gouverneur der rohstoffreichen Provinz Katanga, Moïse Katumbi, und der Geschäftsmann Martin Fayulu. Dieser reklamiert für sich, die vergangene Wahl gewonnen zu haben. Allerdings hatte die Wahlkommission 2018 nach einem dubiosen Urnengang Tshisekedi zum Sieger erklärt. Mukwege, bekannt als Gynäkologe, der vergewaltigte Frauen behandelt, gilt vielen Kongolesen als zu unerfahren in der Politik. Als wichtigsten Herausforderer sehen viele Katumbi, der vorübergehend im Exil lebte.

„Kein Kandidat präsentiert aber eine Strategie, wie der Kongo zu Frieden und Wohlstand kommen könnte“, sagt Onesphore Sematumba, Analyst beim Thinktank Crisis Group. Die Bewerber hetzten lieber gegen das Nachbarland Ruanda, versprächen den Kongolesen einen glorreichen militärischen Sieg und redeten wenig über ihre eigenen Leistungen, kritisiert er.

Präsident Thsisekedi verglich auf einer Wahlveranstaltung den ruandischen Präsidenten Paul Kagame sogar mit Adolf Hitler. Kagame verhalte sich mit seinen Expansionsgelüsten wie einst Hitler, rief er in die jubelnde Menge. Ruanda rüstet nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen die Miliz M23 aus. Diese hält einen Teil der fruchtbaren und an Bodenschätzen reichen Provinz Nord-Kivu besetzt und schneidet der Millionenstadt Goma die Versorgung ab. Eine Million Wahlberechtigte sind im besetzten Gebiet vom Urnengang ausgeschlossen.

Nicht alle werden wählen können

Jean-Claude Mputu, stellvertretender Direktor der Organisation Resource Matters, stellt derweil der unabhängigen Wahlkommission ein bescheidenes Zeugnis aus. Wenige Tage vor der Wahl sei nur ein Bruchteil der Wahllokale mit Wahlmaschinen und Stimmzetteln ausgerüstet. Außerdem seien viele Ausweise, die zum Wählen berechtigen, so schlecht gedruckt worden, dass sie nicht lesbar und somit ungültig seien. Und wie das Wahl-Budget gehandhabt werde, sei völlig intransparent.
Wahlen im Kongo sind allerdings eine Herausforderung. Das Land ist doppelt so groß wie Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Es gibt nur wenige Straßen und viele schlechte Pisten, die jetzt in der Regenzeit unpassierbar sind. Die Wahlbeobachter der Europäischen Union wollten aufgrund der schlechten Infrastruktur Satellitentelefone benutzen. Das hat ihnen die Regierung untersagt. Deshalb sind sie wieder abgezogen.
„Der Kongo ist eine junge Demokratie“, räumt Placide Nzilamba, Sekretär des Bürgervereins in Nord-Kivu, ein. Es gebe aber Fortschritte, betont er. Immerhin würden in den größeren Städten jetzt die Gemeinderäte gewählt. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit 1960.

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