Ungewisse Zukunft für das EU-Lieferkettengesetz

Das EU-Lieferkettengesetz ist auch im zweiten Anlauf im Rat der EU-Staaten gescheitert. Ob das Gesetz noch vor der Europawahl verabschiedet werden kann, ist damit ungewiss. Eine Mehrheit hätte wohl ihren Preis.

Brüssel - Auch in einem zweiten Anlauf hat das geplante EU-Lieferkettengesetz eine Mehrheit im Rat der EU-Staaten verfehlt. Das teilte die belgische EU-Ratspräsidentschaft am Mittwoch in Brüssel mit. Die Belgier suchen demnach weiterhin nach einer Einigung. Weil Anfang Juni das EU-Parlament gewählt wird, ist der Zeitdruck enorm. Sollte sich eine Mehrheit abzeichnen, könnte die Richtlinie nur noch innerhalb der kommenden Tage verabschiedet werden.

Im Ringen um eine Mehrheit würde das Gesetz dann aber wohl abgeschwächt werden. Die Ratspräsidentschaft prüfe derzeit die Einwände der Mitgliedsstaaten. Wir "werden sehen, ob es möglich ist, die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament auszuräumen", teilte die Ratspräsidentschaft mit.

Das Gesetz soll dafür sorgen, dass europäische Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten sicherstellen. EU-Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Kommission hatten sich bereits im Dezember auf das Gesetz geeinigt. Das abschließende Votum in Rat und Parlament ist danach eigentlich nur noch Formsache. Diese endgültige Annahme scheiterte dann maßgeblich an Deutschland.

Kritik an der FDP

Weil die FDP Anfang Februar mitgeteilt hatte, dass sie das Lieferkettengesetz nicht mittragen wolle, kündigte die Bundesregierung daraufhin an, sich bei der Abstimmung im Rat zu enthalten. Ob trotz der Enthaltung Deutschlands eine Mehrheit für die Richtlinie zustande kommen kann, gilt seither als offen. Für eine Annahme ist eine Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedsstaaten mit einem EU-Bevölkerungsanteil von mindestens 65 Prozent nötig.

Amnesty International kritisierte, die Bundesregierung habe mit ihrer Blockadehaltung im Rat dem Lieferkettengesetz einen herben Rückschlag verpasst. Ähnlich sieht es der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Es ist ein europapolitisches Desaster, dass die FDP das EU-Lieferkettengesetz auf den letzten Metern verhindert hat", erklärte Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND. Als erstes Land, das seine Enthaltung angekündigt hat, trage Deutschland die Hauptverantwortung für das Scheitern, unterstrich auch die Hilfsorganisation Oxfam.

Enthaltung von vielen EU-Mitgliedstaaten

Die Kritik an der FDP und an der Bundesregierung ist groß. Fakt ist aber auch, dass das Gesetz nicht allein am Widerstand Deutschlands scheitert. Viele Mitgliedstaaten haben sich am Mittwoch enthalten, die Gründe sind vielfältig: Rechtsunsicherheit, Verwaltungsaufwand, Befürchtung ungleicher Wettbewerbsbedingungen.

FDP und CDU/CSU begrüßten das Votum. "Das erneute Scheitern des europäischen Lieferkettengesetzes im Rat ist eine gute Nachricht", sagte etwa der EU-Abgeordnete Daniel Caspary (CDU). Die Sozialdemokraten bedauerten die Entscheidung. Sie schütze Unternehmen, die Menschenrechte verletzen und die Umwelt schädigen, teilte die Fraktion mit. Die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini bezeichnete "das Gezerre und Gefeilsche der Mitgliedstaaten rund um das EU-Lieferkettengesetz" als "Trauerspiel" und forderte den Bundeskanzler auf, seine Richtlinienkompetenz zu nutzen.

Auf die Frage, ob die Bundesregierung einen neuen Anlauf für ein EU-Lieferkettengesetz nehmen werde, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, dazu könne er heute noch nichts sagen. Hebestreit verwies auf die anstehenden Europawahlen im Juni und erklärte, es sei unwahrscheinlich, dass es von Seiten der EU oder Deutschlands vor den Wahlen eine neue Initiative  geben werde.

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