Mehr als eine Million Menschen in Gaza von Hungersnot bedroht

Rund fünf Monate nach Beginn des Nahost-Krieges verschärft sich die humanitäre Not im Gaza-Streifen. Mehr als eine Million Menschen stehen kurz vor einer schweren Hungersnot. Israel müsse mehr Hilfe zulassen, fordert UN-Generalsekretär Guterres.

Berlin, Rom - Im Gaza-Streifen sind laut den Vereinten Nationen mehr als eine Million Menschen von einer schweren Hungersnot bedroht. In dem Gebiet hätten 1,1 Millionen Menschen ihre Nahrungsmittelvorräte aufgebraucht und seien nun von katastrophalem Hunger betroffen, erklärte das UN-Welternährungsprogramm (WFP) am Montag in Rom. „Die Menschen in Gaza verhungern“, sagte WFP-Exekutivdirektorin Cindy McCain. Es bleibe nur noch ein „sehr kleines Zeitfenster“, um eine Hungersnot abzuwenden.

Das WFP bezog sich auf einen Bericht zum Hunger im Gaza-Streifen. Demnach fallen 1,1 Millionen Menschen - etwa die Hälfte der Bevölkerung - unter die höchste Stufe der Ernährungsunsicherheit in dem international anerkannten Klassifikationssystem IPC. Dabei drohen extreme Unterernährung bis zum Hungertod.

UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Lage der Bevölkerung im Gaza-Streifen entsetzlich. Es handele sich um eine von Menschen verursachte Katastrophe, die gestoppt werden könne, sagte er und mahnte eine sofortige humanitäre Waffenruhe an. „Ich fordere die israelischen Behörden auf, den vollständigen und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfsgüter im gesamten Gaza-Streifen zu gewährleisten.“

Im Norden des Gaza-Streifens wird nach Angaben des WFP bis Mai mit einer Hungersnot gerechnet. Dort seien 300.000 Menschen von den Kämpfen eingeschlossen. In den südlichen Regierungsbezirken drohe eine Hungersnot bis Juli 2024.

Das UN-Hilfswerk rief Israel auf, mehr Hilfe für die Menschen im Gaza-Streifen zuzulassen. Das WFP und humanitäre Partner seien darauf angewiesen, dass mehr Zugänge in den Gaza-Streifen geöffnet werden und ein direkter Grenzübergang in den Norden ermöglicht wird. Für die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln müssten täglich mindestens 300 Lastwagen in den Gaza-Streifen einfahren.

Nach dem Terrorangriff der radial-islamischen Hamas vom 7. Oktober hatte Israel eine Militäroffensive im Gaza-Streifen gestartet. Tausende Menschen wurden dabei getötet. Hilfsorganisationen beklagen seit Monaten, dass zu wenig Hilfslieferungen in die Gebiete gelangen.

Auch die Bundesregierung mahnte zuletzt mehr Hilfslieferungen für die Menschen in Gaza an. Unter anderem beteiligen sich zwei Transportflugzeuge der Bundeswehr an einer Luftbrücke, mit der Lebensmittel und Medikamente über dem Gaza-Streifen abgeworfen werden.

Die Geschäftsführerin der Hilfsorganisation „International Rescue Committee“ (IRC) in Deutschland, Corina Pfitzner, sprach mit Blick auf die humanitäre Krise in Gaza von einem „Tropfen auf den heißen Stein“. Hilfslieferungen über den Luft- und Seeweg seien extrem teuer und ineffizient. Sie seien nur nötig, weil die israelischen Behörden nicht die Bedingungen für eine sicherere und effektive Verteilung über den Landweg schafften, sagte Pfitzner.

Das Klassifikationssystem IPC („Integrated Food Security Phase Classification“) wird von den UN und internationalen Hilfswerken herangezogen, um Hungerkrisen einzuordnen und die Hilfe zu planen. Laut dem Welternährungsprogramm fielen noch nie zuvor so viele Menschen unter die höchste Stufe (IPC5) wie nun im Gaza-Streifen.

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