Sipri-Forscher warnen vor neuen Gefahren durch atomares Wettrüsten

Die Modernisierung und Erweiterung von Atombomben-Arsenalen gefährdet Fachleuten zufolge die Welt zunehmend - verschärft durch schnellere und fehleranfällige KI-Steuerungen. Dennoch fehle der Wille zur Kontrolle.

Frankfurt a.M., Stockholm - Das Friedensforschungsinstitut Sipri sieht eine zunehmende Gefahr durch das derzeitige atomare Wettrüsten. Das Tempo der Demontage nuklearer Sprengköpfe verlangsame sich, während sich die Stationierung neuer Kernwaffen beschleunige, stellten die schwedischen Forschenden in ihrem am Montag in Stockholm veröffentlichten Jahresbericht fest. Fast alle neun Atommächte arbeiteten an der Modernisierung und Aufrüstung ihrer Arsenale. Zugleich würden die Mechanismen zur Waffenkontrolle empfindlich geschwächt.

„Die Zeit seit Ende des Kalten Krieges, in der die Zahl der Atomwaffen in der Welt verringert wurde, geht zu Ende“, sagte Sipri-Atomwaffenforscher Hans M. Kristensen. Stattdessen sei ein klarer Trend zu „wachsenden Atomwaffenarsenalen, einer verschärften Nuklearrhetorik und der Aufkündigung von Rüstungskontrollabkommen“ zu erkennen.

Die Forschenden warnen eindringlich vor den Risiken eines neuen nuklearen Wettrüstens. Es sei mit weitaus mehr Risiken und Unsicherheiten verbunden als in der Vergangenheit, sagte Sipri-Direktor Dan Smith. Technologische Entwicklungen - beispielsweise in den Bereichen künstliche Intelligenz (KI), Cyber-Fähigkeiten, Weltraumressourcen, Raketenabwehr oder Quantenphysik - führten zu einer radikalen Neudefinition der nuklearen Fähigkeiten, der Abschreckung und der Verteidigung, heißt es im Bericht.

So würden KI und andere Technologien die Entscheidungsfindung in Krisensituationen beschleunigen. Zudem steige das Risiko, dass ein nuklearer Konflikt aufgrund von Fehlkommunikation, Missverständnissen oder technischen Unfällen ausbrechen könnte.

Weltweit gibt es den Sipri-Schätzungen zufolge rund 12.000 nukleare Sprengköpfe, von denen etwa 9.500 einsatzfähig sind. Sie sind im Besitz der Atommächte USA, Russland, Vereinigtes Königreich, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. 2024 waren demnach rund 2.100 der Sprengköpfe in hoher Alarmbereitschaft, also binnen kürzester Zeit einsatzbereit. Fast alle davon gehörten Russland oder den USA.

Das Institut weist zudem darauf hin, dass es demnächst keine vertraglich festgelegten Rüstungskontrollen der beiden Atom-Großmächte mehr geben wird. Die letzte verbliebene Abmachung - „New START“ - sei noch bis Anfang 2026 in Kraft. Und es gebe keine Anzeichen für Verhandlungen über eine Erneuerung oder einen Ersatzvertrag.

„Die bilaterale nukleare Rüstungskontrolle zwischen Russland und den USA ist vor einigen Jahren in eine Krise geraten, und nun fast beendet“, sagte Sipri-Direktor Smith. US-Präsident Donald Trump bestehe derzeit wie während seiner ersten Amtszeit darauf, dass jedes künftige Abkommen auch Beschränkungen für Chinas Atomwaffenarsenal enthalten sollte. Das würde die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen noch komplexer machen, warnt der Experte.

Sipri-Forscher Matt Korda betonte, es sei wichtig, daran zu erinnern, dass Atomwaffen keine Garantie für Sicherheit seien. Das habe das jüngste Aufflackern der Feindseligkeiten zwischen Indien und Pakistan im Frühjahr deutlich gezeigt. „Atomwaffen können Konflikte nicht verhindern.“ Stattdessen stellten sie ein immenses Risiko der Eskalation und katastrophaler Fehleinschätzungen dar, „vor allem, wenn Desinformationen verbreitet werden“.

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