Banges Hoffen auf Frieden im Ostkongo

In wenigen Tagen sollen Friedensgespräche zwischen den M23-Rebellen und der kongolesischen Regierung beginnen. Doch der Weg ist noch weit. Eine bereits ausgehandelte Waffenruhe ist brüchig - und die Rebellen drohen mit Boykott.

Frankfurt a.M./Kinshasa - Die Waffen im Ostkongo müssten eigentlich längst schweigen. Denn die Regierung und die Rebellen haben am 19. Juli unter der Vermittlung von Katar in Doha eine Waffenruhe vereinbart. Doch die Kriegsparteien kämpfen laut Beobachtern weiter. Die Bevölkerung hofft nun auf den 8. August. An diesem Tag sollen Friedensverhandlungen zwischen der kongolesischen Regierung und der Rebellenbewegung AFC/M23 beginnen.

„Die schlechte Sicherheitslage und die ökonomische Misere setzen der Bevölkerung zu“, sagt Jacques Vagheni. Daran habe auch die Doha-Erklärung nichts geändert. Vagheni koordiniert den Verband der Kommunalradios in der Provinz Nord-Kivu und kennt die harten Lebensbedingungen der Menschen, die in den besetzten Gebieten wohnen.

Die M23-Rebellen, unterstützt vom Nachbarland Ruanda, haben den jüngsten Krieg im Jahr 2021 begonnen. Inzwischen beherrschen sie weite Teile der Provinzen Nord- und Süd-Kivu mit dem fruchtbaren Ackerland, den Kaffee- und Kakaoplantagen und den wertvollen Rohstoffen. Darunter ist auch die Coltan-Mine in Rubaya, von wo laut den UN 15 Prozent des weltweit verarbeiteten Erzes stammen. Coltan wird vor allem in der Elektronik- und Metallindustrie verwendet.

Seit ihrem Vormarsch hat M23 Parallelregierungen in den von ihr kontrollierten Gebieten eingerichtet, einige Steuern erhöht und neue Gebühren eingeführt. Menschenrechtsorganisationen werfen der Miliz Hinrichtungen, Folter und Zwangsrekrutierungen vor. „Die Bevölkerung lebt in Angst und Schrecken“, sagt eine Menschenrechtsaktivistin, die anonym bleiben muss.

Mit Doha verbanden viele Menschen die Erwartung, dass die Rebellen abziehen würden. „Die Leute wünschen sich ihr Leben zurück, wie es vorher war“, erzählt der Radio-Koordinator Vagheni.

Doch M23 will bleiben, auch in der Millionenstadt Goma. Daran ließ der Verhandlungsleiter der Miliz, Benjamin Mboimpa, in Doha keinen Zweifel. „Wir werden uns keinen Meter zurückziehen“, sagte er. Der Passus in der Doha-Erklärung, dass die „staatliche Autorität im gesamten Kongo“ wiederherzustellen sei, bedeute, dass es eine neue Ordnung geben müsse - nach der Lesart von M23 vermutlich ohne die Regierung in Kinshasa. Regierungssprecher Patrick Muyaya erklärte dagegen, dass M23 abziehen und die frühere Verwaltung und die Armee in die besetzten Gebiete zurückkehren müssten.

Die Aktivistin Odile Bulabula erwartet schwierige Verhandlungen. „Wir beten, dass sie es dieses Mal ernst meinen und alle umsetzen, was ausgehandelt wird“, sagt sie. Hauptsache sei, dass „das Töten endlich aufhört“, sagt Bulabula, die sich bei einer lokalen Organisation für die Wahrung der Menschenrechte einsetzt.

Der Konflikt im Ostkongo geht bis in die Kolonialzeit zurück. Die Belgier und die nachfolgenden kongolesischen Herrscher hetzten verschiedene Ethnien gegeneinander auf und provozierten Streit um Land und Ressourcen. Dies prägt auch den aktuellen Krieg. So gehören die Mitglieder von M23 der Volksgruppe der Tutsi an, die sich diskriminiert fühlt und mehr Einfluss in Politik, Militär und Wirtschaft will. Durch die zahlreichen Konflikte sind in den vergangenen 30 Jahren verschiedenen Schätzungen zufolge sechs Millionen Menschen ums Leben gekommen. Noch viel mehr Menschen wurden vertrieben.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden immer wieder Abkommen unterschrieben, die nie Bestand hatten. Mit Blick auf die Doha-Erklärung kritisiert Aktivistin Bulabula, dass die Sichtweise der Bevölkerung nicht berücksichtigt worden sei. Das müsse sich sofort ändern.

Für Radio-Koordinator Vagheni ist wichtig, dass „wir eine integre Regierungsführung bekommen, die Polizei und Militär ausbildet und bezahlt“. Zudem sei ein „Frieden ohne Menschenrechte und Gerechtigkeit“ nicht möglich. Doch diesbezüglich habe die Bevölkerung bisher schlechte Erfahrungen gemacht.

Zustande kam die Doha-Erklärung auf Druck der US-Regierung. Die Administration von Präsident Donald Trump hat bereits eine Absichtserklärung zu Friedensverhandlungen zwischen dem Kongo und Ruanda vermittelt und will im Gegenzug Rohstoffverträge mit den beiden Ländern schließen.

Die Doha-Erklärung gibt den Unterhändlern ab dem 8. August zehn Tage Zeit, um ein endgültiges Friedensabkommen zustande zu bringen. Angesichts des langwierigen Konfliktes hält Aktivistin Bulabula dies für „völlig utopisch“. Sogar ob die Gespräche überhaupt stattfinden, ist derzeit offen. Die M23 droht mit Boykott, sollte die Regierung nicht die 700 Gefangenen freilassen, die der M23 nahestehen.

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