Frankfurt a.M., Doha - Bei einem israelischen Luftangriff in Gaza sind nach Angaben des Senders Al-Dschasira fünf seiner Journalisten getötet worden. Darunter sei der Reporter Anas al Scharif, meldete Al-Dschasira in der Nacht zum Montag. Der Sender sprach von einer gezielten Attacke auf ein Medienzelt vor einem Krankenhaus in Gaza-Stadt. Israel bestätigte den Angriff und bezeichnete Al Scharif als Anführer einer Hamas-Zelle.
Er habe Raketenangriffe auf israelische Zivilisten und Soldaten unterstützt, erklärten die israelischen Streitkräfte auf der Internet-Plattform X. Es gebe Geheimdienstinformationen und Dokumente aus Gaza, die belegten, dass Al Scharif ein Hamas-Aktivist gewesen sei.
Al-Dschasira wies die Anschuldigungen zurück und warf Israel einen „weiteren offensichtlichen und vorsätzlichen Angriff auf die Pressefreiheit“ vor. Al Scharif sei einer der mutigsten Journalisten in Gaza gewesen. Die Tötung des Reporters und seiner Kollegen sei „ein verzweifelter Versuch, die Stimmen zum Schweigen zu bringen, die die bevorstehende Einnahme und Besetzung Gazas ans Licht bringen“.
Al Scharif war von Israel schon länger als Hamas-Aktivist beschuldigt worden. Dafür seien keine Beweise vorgelegt worden, betonte die internationale Organisation Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) am Montag. „Israels Muster, Journalisten ohne glaubwürdige Beweise als Militante zu bezeichnen, wirft ernsthafte Fragen hinsichtlich seiner Absichten und seiner Achtung der Pressefreiheit auf“, erklärte CPJ-Regionaldirektorin Sara Qudah. „Journalisten sind Zivilisten und dürfen niemals zur Zielscheibe werden. Die Verantwortlichen für diese Tötungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, forderte sie. Zuletzt berichtete Al Scharif laut CPJ über den Hunger in Gaza.
Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verlangte Aufklärung über die Hintergründe. Selbst wenn Al Scharif ein Terrorist gewesen sein sollte, hätte das keinen Luftangriff auf ein Journalistenzelt gerechtfertigt, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. „Dass Medienschaffende in dem bewaffneten Konflikt umkommen, ist schon furchtbar genug“, erklärte er. „Dass auf Grundlage von nicht überprüfbaren Vorwürfen gezielt Jagd auf sie gemacht wird, ist nicht hinnehmbar.“
Schon im Juli hatte die UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, Irene Khan, zu den Vorwürfen gegen Al Scharif erklärt, die unbelegten Anschuldigungen seien ein offenkundiger Versuch, „seine Berichterstattung über den Genozid in Gaza“ zum Verstummen zu bringen. Wiederholte Drohungen gegen den Journalisten hatte sie als äußerst alarmierend eingestuft. Ängste um seine Sicherheit seien wohl begründet.
Al Scharif habe im Wissen um seine Gefährdung die Arbeit fortgesetzt, erklärte der Sender Al-Dschasira und verwies auf eine Erklärung des Reporters vom April, die in seinem Todesfall veröffentlicht werden sollte. Er habe im Gaza-Streifen immer wieder „den Schmerz in allen Einzelheiten“ miterleben müssen, immer wieder Trauer und Verlust, heißt es in dem auch auf der Internet-Plattform X veröffentlichten Schreiben. „Trotzdem habe ich nie gezögert, die Wahrheit so zu vermitteln, wie sie ist, ohne Verzerrung oder Falschdarstellung.“