Berlin - Seit ihrer Machtübernahme vor vier Jahren haben die radikalislamischen Taliban das Rechtssystem in Afghanistan laut Amnesty International völlig ausgehebelt. Willkürliche Urteile, fehlende Transparenz sowie öffentliche Folter und Hinrichtungen seien seitdem an der Tagesordnung, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Freitag zum Jahrestag der Taliban-Machtergreifung am 15. August 2021. Dass Deutschland Menschen nach Afghanistan abschiebe und Aufnahmezusagen nicht einhalte, sei rechtswidrig.
„Nach vier Jahren Taliban herrscht ein repressives Rechtssystem, das sich nicht nur weit von internationalen Menschenrechtsstandards entfernt, sondern auch fast zwei Jahrzehnte Fortschritt zunichtegemacht hat“, erklärte Amnesty-Asien-Expertin Theresa Bergmann. „Niemand ist in diesem System, das einzig auf Angst und Unterdrückung setzt, sicher.“ Daher dürfe Deutschland nicht nach Afghanistan abschieben. Seit der Machtübernahme der Taliban hat Deutschland bislang zwei Abschiebeflüge nach Afghanistan geschickt: im Sommer vergangenen Jahres und Mitte Juli dieses Jahres.
Gefährdete werden im Stich gelassen
Auch bei Aufnahmeprogrammen für schutzsuchende Afghaninnen und Afghanen werde Deutschland seiner menschenrechtlichen Verantwortung nicht gerecht, kritisierte Amnesty International. Gefährdete Personengruppen, denen Deutschland bereits eine Aufnahmezusage erteilt hatte, würden im Stich gelassen.
Im Jahr 2022 hatte die Ampel-Regierung ein Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghaninnen und Afghanen aufgelegt, über das bis zu 1.000 Menschen im Monat nach Deutschland kommen sollten. Die tatsächlichen Einreisen blieben weit darunter, aktuell sind die Einreisen ausgesetzt. Das Programm sollte Menschen in Sicherheit bringen, die wegen ihrer Tätigkeit für die Bundeswehr oder ihres Einsatzes für Menschenrechte von den Taliban bedroht werden.
Die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft müssten sich entschieden für die Rückkehr zu Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in Afghanistan einsetzen, fordert Amnesty International. Dazu ruft die Menschenrechtsorganisation zu stärkerem diplomatischen Druck auf die Taliban auf.