Mehr als 27 Jahre Haft für Brasiliens Ex-Präsidenten Bolsonaro

Es ist ein Richterspruch mit historischer Tragweite: Brasiliens Oberster Gerichtshof verurteilt Ex-Präsident Bolsonaro wegen Putschversuchs zu einer langen Haftstrafe. Die Entscheidung könnte die diplomatischen Spannungen mit den USA verschärfen.

Berlin/São Paulo - Brasiliens ultrarechter Ex-Präsident Jair Bolsonaro steht vor einer langen Haftstrafe. Vier von fünf Richtern des Obersten Gerichtshofs sprachen den 70-Jährigen wegen versuchten Putsches gegen seinen Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva nach der Präsidentschaftswahl 2022 für schuldig. Am Donnerstagabend (Ortszeit) verkündete das Oberste Gericht auch das Strafmaß von 27 Jahren und drei Monaten. Bolsonaro ist damit der erste ehemalige Staatschef Brasiliens, der wegen des Versuchs eines Staatsstreichs verurteilt wurde.

Bolsonaros Anwälte bezeichneten die Strafe als „absurd überhöht und unverhältnismäßig“ und kündigten an, in Berufung zu gehen. Der Ex-Präsident blieb der mehrtägigen Urteilsverkündung der vier Richter und einer Richterin fern. Seine Verteidigung hatte dies mit der angeschlagenen Gesundheit des Politikers begründet.

Die Mehrheit der Richter sprach Bolsonaro des versuchten Staatsstreichs, der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und des Versuchs der gewaltsamen Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates für schuldig. Lediglich Richter Luiz Fux votierte für einen Freispruch.

Die US-Regierung kritisierte erneut das Verfahren und drohte mit Konsequenzen, allerdings ohne konkret zu werden. US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete den Prozess als politische Verfolgung und erklärte, die USA würden angemessen auf die Hexenjagd reagieren. US-Präsident Donald Trump hatte als Reaktion auf den Prozess im Juli Rekordzölle von 50 Prozent gegen Brasilien verhängt.

Brasiliens Außenminister Mauro Vieira wies die Anschuldigungen Rubios zurück. Das Verfahren gegen Bolsonaro sei von einem unabhängigen Gericht mit einem umfassenden Recht auf Verteidigung geführt worden, erklärte er. Solche von Rubio verkündete Drohungen „werden unsere Demokratie nicht einschüchtern“.

Das Gericht sieht Bolsonaro als Hauptverantwortlichen für den Putschversuch vom 8. Januar 2023, als Tausende seiner Anhänger den Kongress, den Obersten Gerichtshof und den Präsidentenpalast stürmten und dort randalierten. Die unter seiner Führung und dem Codenamen „Grüner und gelber Dolch“ entstandenen Pläne sahen demnach die Ermordung von Präsident Lula, dessen Stellvertreter Geraldo Alckmin und des Obersten Richters Alexandre de Moraes vor. Die Umsetzung scheiterte unter anderem an der Militärspitze, die sich nicht beteiligen wollte.

In dem seit dem 2. September laufenden Prozess waren zusammen mit Bolsonaro sieben Mitstreiter angeklagt, darunter hohe Militärs, ehemalige Minister und ein früherer Geheimdienstchef. Erstmals mussten sich Militärs in Brasilien vor einem zivilen Gericht verantworten. Auch sie wurden zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt.

Bolsonaro streitet alle Vorwürfe ab und gibt an, von den Plänen nichts gewusst zu haben. Seine Verteidigung verlangt, dass der Prozess vor dem gesamten Plenum des Obersten Gerichts mit elf Richtern und nicht nur vor der Ersten Kammer geführt wird. Ein langwieriges Revisionsverfahren könnte sich somit bis zu den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr hinziehen. Eine Änderung des Urteils gilt dennoch als unwahrscheinlich. Bolsonaro darf nach gerichtlichen Auflagen bereits jetzt das Haus wegen Fluchtgefahr nicht verlassen und muss eine elektronische Fußfessel tragen.

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