Demokratie oder Machtkalkül: Guinea stimmt über neue Verfassung ab

Im westafrikanischen Guinea wird am Sonntag über eine neue Verfassung abgestimmt. Sie wirkt wie maßgeschneidert für Junta-Chef Mamadi Doumbouya.

Frankfurt a.M., Conakry - Ibrahima Kalil Diallo hat klare Worte für die Pläne der Militärregierung in seinem Land. „Es ist eine Maskerade“, sagt der 28 Jahre alte Aktivist, der sein Profil auf der Internetplattform X „Der Hartnäckige“ nennt. Wenn am Sonntag in Guinea über eine neue Verfassung abgestimmt wird, wird er ohne Frage „Nein“ wählen. Ob es etwas bringt, bezweifelt er allerdings: „Am Ende wird eh das Ja gewinnen.“ Dennoch versucht er als Vorsitzender der Bewegung „Renaissance der patriotischen Kräfte“, die Bevölkerung über die Inhalte des Referendums zu informieren.

Das Militär, das das westafrikanische Land seit einem Putsch vor vier Jahren regiert, inszeniert die neue Verfassung als Schritt in Richtung Stabilität und Rechtsstaatlichkeit. Kritik an ihrem Vorgehen duldet die Junta unter General Mamadi Doumbouya allerdings ungern. In den vergangenen Wochen hat sie drei der wichtigsten Oppositionsparteien für jeweils drei Monate suspendiert, Demonstrationen verboten und Medien zensiert. Debatten über die Inhalte der Verfassung gibt es kaum. Auch der Fall der verschwundenen Oppositionellen Foniké Mengué und Mamadou Billo Bah bleibt nach wie vor ungelöst.

Es ist ein Klima, das auch Kadiatou Tounkara Sorgen bereitet. Die 28-Jährige ist Menschenrechtsaktivistin und Teil der Bürgerbewegung „Guinée ensemble“, die im Referendum einen weiteren Schritt zum Machterhalt des Militärs sieht. So sollen etwa das Mindestalter für Präsidentschaftskandidaten auf unter 80 Jahre festgelegt und ein Wohnsitz im Land vorgeschrieben werden. Bedingungen, die den früheren Präsidenten Alpha Condé, Ex-Premier Sidya Touré sowie Oppositionsführer Cellou Dalein Diallo faktisch ausschließen.

Zudem werden Bestimmungen der bisherigen Übergangsverfassung verwässert, darunter das Verbot für Mitglieder der Junta, selbst bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten. Damit wäre der Weg für General Mamadi Doumbouya frei, sich vier Jahre nach seinem Putsch im höchsten Staatsamt legitimieren zu lassen.

Auch Aktivist Diallo hat diese Befürchtung: „Die Kampagne ist einseitig“, sagt er: „Wir sehen Befürworter des Referendums, die statt mit Inhalten mit einem Bild des Präsidenten durch die Straßen laufen.“ Es wirke wie Werbung für General Doumbouya als Person - als ob die Bevölkerung bereits auf seine Amtseinführung vorbereitet werden solle. Angesichts früherer Wahlkrisen in Guinea sei es jedoch entscheidend, Spannungen abzubauen, um nicht wieder in Instabilität zu fallen.

Ausschlaggebend für den Putsch in Guinea im September 2021 war eine Reihe politischer und wirtschaftlicher Spannungen. Der damalige Präsident Alpha Condé, 2010 als erster demokratisch gewählter Staatschef ins Amt gekommen, ließ die Verfassung per Referendum ändern, um sich eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Es folgten massive Proteste. Als die Regierung dann noch Sparmaßnahmen einleitete, dem Präsidialamt und Parlament aber Erhöhungen zusagte, kam es zum Putsch. Mit der Machtübernahme des Militärs steht Guinea in einer Linie mit anderen Staaten der Region wie Mali, Burkina Faso und Niger, die in den vergangenen Jahren Umstürze erlebt haben. Dort wurde die Rückkehr zu einer zivilen Regierung immer wieder verschoben.

Für Guineas Regierung ist das Verfassungsreferendum ein Schritt auf dem Weg zur Rückkehr zur Demokratie. Im Dezember sollen dann in dem Land mit rund 14,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. Ob General Doumbouya kandidiert, ist bislang nicht klar. Doch deutet vieles darauf hin, dass das Referendum vor allem dazu dient, ihm die rechtlichen und politischen Voraussetzungen für eine Kandidatur zu sichern.

Für Diallo ist die Abstimmung am Sonntag nicht viel wert. Mit einem Ergebnis, das bereits vorherbestimmt sei, könne man sich das Referendum eigentlich sparen, sagt der Aktivist. Letztlich handele es sich um eine Verschwendung öffentlicher Gelder.

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