Nairobi - Pastor Maurice Onyango steht an einem weißen Pult und heißt die Frauen willkommen, die sich auf den Plastikstühlen versammelt haben. Es ist Samstagnachmittag, und in seiner Kirche Word of Hope (Wort der Hoffnung) versammeln sich die aktiven Frauen der Pfingstgemeinde in Baba Dogo, einem Stadtteil zwischen Industriegebiet und Slum in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Sie wollen heute über Familienplanung sprechen.
In Kenia werden 15 Prozent der Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag schwanger, in Baba Dogo ist die Rate noch höher. Besuche bei einer Gynäkologin gibt es in Kenia für die allermeisten Frauen nur im Notfall. Das heißt: Viele Informationen über Verhütung beruhen auf Hörensagen. In Apotheken bekommen sie ohne Beratung über mögliche Nebenwirkungen die Pille und auch Spritzen, die für drei Monate einer Schwangerschaft vorbeugen.
„Gott hat die Kirche als Problemlöser geschaffen“, findet der Theologe Onyango, deswegen will er Raum für Gespräche schaffen. Sonntags kommt die Sozialarbeiterin Anne Ochieng in den Gottesdienst. „Kann Familienplanung funktionieren, wenn sie nur Sache der Frauen ist?“, fragt sie. Nicken in den Stuhlreihen.
Ochieng ist anderer Meinung: Man müsse sich gemeinsam darauf einigen, wie viele Kinder man haben will und wann, erklärt sie. Sie gibt Tipps für Gespräche und ermutigt die Frauen, als Paar bei einer Beratung in einem Gesundheitszentrum zu besprechen, welche Verhütungsmethode am besten zu ihnen passt. Wenn Frauen heimlich verhüten und dann Symptome wie ausbleibende Blutungen oder Libidoverlust nicht erklären können, kann das zum Auslöser für Gewalt in der Partnerschaft werden, berichtet Ochieng.
Die Gemeinde in Baba Dogo ist eine Ausnahme. Viele Kirchen in der Region meiden das Thema, andere bestehen auf natürlicher Familienplanung, erklärt Peter Munene. Er leitet das internationale „Faith to Action Network“ in Nairobi. Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Religionsgemeinschaften setzen sich in dem Netzwerk gemeinsam für Familiengesundheit und eine geschlechtergerechte Gesellschaft ein. Auch sie plädieren für mehr offene Gespräche statt moralgeladener Ansagen. Denn vom Staat gibt es keine Unterstützung für Familien, und wenn das Geld knapp ist, müssen Kinder mitverdienen.
Nur wenn Pfarrerinnen und Pfarrer das Thema wichtig finden, sprechen sie es bei Paaren in den Vorgesprächen zur Hochzeit an, sagt Munene. Viele betonten Gottes Auftrag „Seid fruchtbar und mehret euch“ aus der biblischen Schöpfungsgeschichte und ließen keine weiteren Fragen zu. Und weil ein großer Teil der Krankenzentren von kirchlichen Organisationen betrieben wird, setzt sich das laut Munene auch dort fort. Dabei haben schon Figuren aus der Bibel Abstand zwischen den Kindern geplant, sagt der Leiter des Netzwerks.
Zurück in Baba Dogo, berichtet Gemeindemitglied Evelyn Ogola, dass nach Angaben der Gesundheitsorganisation Marie Stopes jeden Tag sieben Mädchen und Frauen in Kenia nach misslungenen Abtreibungen sterben. Tausende müssten jedes Jahr im Krankenhaus behandelt werden. „Wir können als Gemeinde nicht so tun, als ob Leute keinen Sex hätten, bevor sie heiraten“, sagt Ogola. Besser sei es, das Gespräch zu suchen und sichere Räume zu schaffen, wo Menschen Fragen stellen können, ohne verurteilt zu werden.
Ein ähnliches Treffen will Pastor Onyango bald mit den Männern der Gemeinde organisieren. Denn auch er habe an diesem Samstag dazugelernt. Er ist sich sicher: „Veränderung kann hier anfangen - und dann die Gesellschaft da draußen bewegen.“
